Macht Ausdauertraining langsam? Eine wissenschaftliche Analyse

von Jürgen Pranger


Gepostet am 29.11.2024



Ausdauertraining ist ein zentraler Bestandteil des Trainingsregimes vieler Sportarten. Im Fußball stellt sich jedoch oft die Frage: Macht zu viel Ausdauertraining Spieler tatsächlich langsamer? In diesem Blogbeitrag wollen wir untersuchen, ob und wie Ausdauertraining die Schnelligkeit und Explosivität von Fußballspielern beeinflusst. Wir gehen außerdem auf die physiologischen Grundlagen der Muskulatur ein und geben konkrete Trainingsempfehlungen für die Winterpause.


Fußball ist eine Sportart, die eine Vielzahl an körperlichen Fähigkeiten erfordert: Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Technik. Explosive Sprints sind entscheidend, um im richtigen Moment vor dem Gegenspieler am Ball zu sein. Gleichzeitig wird von Fußballspielern erwartet, 90 Minuten auf hohem Niveau durchzuhalten. Doch wie verhält sich das intensive Ausdauertraining zu den Anforderungen an die Schnelligkeit?


Muskelphysiologie: Zusammensetzung der Muskeln und deren Rolle im Fußball

Um zu verstehen, wie Ausdauertraining die Leistungsfähigkeit eines Fußballspielers beeinflusst, ist es wichtig, die Muskelzusammensetzung genauer zu betrachten. Muskelfasern lassen sich grob in zwei Haupttypen unterteilen: Typ-I-Fasern (langsame, ausdauernde Muskelfasern) und Typ-II-Fasern (schnelle, explosive Muskelfasern).


  • Typ-I-Fasern: Diese Fasern sind für langandauernde Kontraktionen verantwortlich und zeichnen sich durch eine hohe aerobe Kapazität aus. Sie sind reich an Mitochondrien und ermöglichen langanhaltende Aktivitäten wie Langstreckenläufe. Daher sind sie für Fußballspieler wichtig, um die gesamte Spieldauer durchzuhalten.
  • Typ-II-Fasern: Diese Fasern sind schneller und können viel Kraft in kurzer Zeit generieren, jedoch ermüden sie schneller. Typ-II-Fasern sind entscheidend für explosive Bewegungen, wie Sprints, schnelle Richtungswechsel und Sprünge – all das, was im Fußballspiel besonders wichtig ist.


Ein Übermaß an Ausdauertraining kann zu einer Anpassung führen, bei der der Anteil der Typ-I-Fasern im Verhältnis zu den Typ-II-Fasern steigt. Diese Anpassung kann dazu führen, dass die Explosivität und die Schnelligkeit abnehmen. Studien haben gezeigt, dass Fußballspieler, die ein zu starkes aerobes Training absolvieren, einen Verlust an Schnellkraft erleben können (Hawley & Gibala, 2012).


Mythos oder Realität: Macht Ausdauertraining langsam?

Es gibt eine weit verbreitete Annahme, dass exzessives Ausdauertraining zu einem Verlust an Schnelligkeit führen kann. Tatsächlich kann übermäßiges aerobes Training dazu führen, dass die Muskulatur eher auf Langzeitausdauer ausgelegt ist, was die Fähigkeit zu schnellen, explosiven Bewegungen beeinträchtigen könnte.


Studienlage zur Auswirkung von Ausdauertraining auf die Schnelligkeit

Eine Studie von Bishop et al. (2009) zeigte, dass Fußballspieler, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aeroben und anaeroben Trainingseinheiten einhalten, ihre allgemeine Fitness verbessern, ohne ihre Schnellkraft zu beeinträchtigen. Die Autoren betonen, dass es wichtig ist, ein Übermaß an langen, monotonen Ausdauereinheiten zu vermeiden, um die Anpassungen der Muskulatur auf anaerobe Fähigkeiten zu erhalten.

Eine weitere Studie von Kraemer et al. (1995) untersuchte die Auswirkungen von kombiniertem Kraft- und Ausdauertraining auf die Muskelzusammensetzung. Die Ergebnisse zeigen, dass durch ein gezieltes Krafttraining in Kombination mit Intervall-Ausdauertraining die negativen Effekte auf die Schnellkraft minimiert werden können. Dies spricht dafür, dass eine Kombination der Trainingsarten die beste Lösung für Fußballspieler darstellt.


Die richtige Balance finden

Das Geheimnis liegt in der richtigen Balance. Ein gezieltes Trainingsprogramm sollte sowohl Ausdauer- als auch Schnellkrafttraining beinhalten. Intervalltraining, das abwechselnd hohe Intensität und Erholungsphasen beinhaltet, kann die aerobe Kapazität verbessern, ohne die Schnelligkeit zu beeinträchtigen. So können Fußballspieler sowohl ihre Ausdauer verbessern als auch ihre Explosivität beibehalten.


Intervalltraining als Schlüssel zur Leistungssteigerung

Intervalltraining kombiniert Phasen hoher Intensität mit Erholungsphasen und hat sich als äußerst effektiv für Fußballspieler erwiesen. Ein Beispiel für ein Intervalltraining könnte wie folgt aussehen:


Block 1: Sprints mit Richtungswechsel (4 Runden)

  • 20 Sekunden: Sprint mit Richtungswechsel (z. B. Slalom um Hütchen auf 10 Metern)
  • 40 Sekunden: Lockeres Traben oder Gehen
  • Pause nach 4 Runden: 2 Minuten

Block 2: Plyometrie und Schnelligkeit (4 Runden)

  • 20 Sekunden Sprung über eine niedrige Hürde oder Bank (beidbeinig)
  • 40 Sekunden: Seitenläufe (zwischen zwei Markierungen, ca. 5 Meter Abstand)
  • Pause nach 4 Runden: 2 Minuten

Block 3: Ballarbeit mit Intensität (4 Runden)

  • 20 Sekunden: Ballkontrolle unter Zeitdruck (z. B. Dribbeln um Hütchen oder Ball jonglieren)
  • 40 Sekunden: Passen mit einem Partner oder gegen eine Wand (z. B. 1-Touch-Pässe)
  • Pause nach 4 Runden: 2 Minuten


Dieses Training verbessert sowohl die aerobe als auch die anaerobe Kapazität, was zu einer verbesserten Ausdauer und gleichzeitig zu einer Erhaltung der Schnellkraft führt (Laursen & Jenkins, 2002).


Empfehlungen für Fußballspieler und Trainer in der Winterpause

Die Winterpause bietet eine großartige Gelegenheit, gezielt an Schwächen zu arbeiten und das Trainingsprogramm anzupassen. Hier sind einige Trainingsempfehlungen, die sich speziell für die Winterpause eignen:


Kombinierte Trainingseinheiten

  • Kraft- und Schnellkrafttraining: Konzentriere dich auf Übungen wie Kniebeugen, Ausfallschritte und Plyometrie (z.B. Box Jumps). Diese Übungen helfen, die Typ-II-Fasern zu stärken und die Explosivität zu verbessern (Kraemer et al., 2002).
  • Intervall-Ausdauertraining: Setze auf kürzere, hochintensive Intervalle, um die Ausdauer zu steigern, ohne die Schnellkraft zu beeinträchtigen. 3-4 solcher Einheiten pro Woche sind optimal.

Positionsspezifische Anpassungen:

  • Das Training sollte an die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Position angepasst werden.

Regeneration und Flexibilität

  • Die Winterpause bietet auch Zeit für aktive Regeneration. Setze auf Yoga oder Mobility-Training, um die Beweglichkeit zu verbessern und Verletzungen vorzubeugen. Eine gute Flexibilität unterstützt die Schnellkraft und die Fähigkeit zu explosiven Bewegungen (Behm & Chaouachi, 2011).

Mentales Training

  • Nutze die Zeit für mentales Training, um deine Konzentration und dein Spielverständnis zu verbessern. Visualisierungstechniken können helfen, die Bewegungsabläufe im Spiel besser zu verinnerlichen und die Performance auf dem Platz zu steigern (Guillot & Collet, 2008).


Fazit

Ausdauertraining kann tatsächlich die Schnelligkeit beeinträchtigen, wenn es nicht richtig in das Gesamttrainingsprogramm integriert wird. Fußballspieler und Trainer sollten darauf achten, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Ausdauer und Schnellkrafttraining zu finden, um die optimale Leistung auf dem Platz zu erreichen. Die Kombination aus Intervalltraining und spezifischen Schnellkraftübungen ist der Schlüssel, um sowohl die Ausdauer zu verbessern als auch die Schnelligkeit zu erhalten.

Durch eine gezielte Planung des Trainings in der Winterpause, das sowohl Kraft- als auch Intervalltraining sowie mentale und regenerative Elemente beinhaltet, können Fußballspieler ihre Leistung steigern und optimal auf die Rückrunde vorbereitet sein.



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Quellen

  • Hawley, J. A., & Gibala, M. J. (2012). "Exercise intensity and muscle fuel utilization." Journal of Applied Physiology, 112(9), 1522-1533.
  • Bishop, D., Girard, O., & Mendez-Villanueva, A. (2009). "Repeated-sprint ability – part II: Recommendations for training." Sports Medicine, 39(9), 741-756.
  • Kraemer, W. J., Patton, J. F., Gordon, S. E., Harman, E. A., Deschenes, M. R., Reynolds, K., Newton, R. U., Triplett, N. T., & Dziados, J. E. (1995). "Compatibility of high-intensity strength and endurance training on hormonal and skeletal muscle adaptations." Journal of Applied Physiology, 78(3), 976-989.
  • Laursen, P. B., & Jenkins, D. G. (2002). "The scientific basis for high-intensity interval training: Optimising training programmes and maximising performance in highly trained endurance athletes." Sports Medicine, 32(1), 53-73.
  • Kraemer, W. J., et al. (2002). "Strength training for soccer." Journal of Strength and Conditioning Research, 16(3), 316-321.
  • Behm, D. G., & Chaouachi, A. (2011). "A review of the acute effects of static and dynamic stretching on performance." European Journal of Applied Physiology, 111(11), 2633-2651.
  • Guillot, A., & Collet, C. (2008). "Construction of the motor imagery integrative model in sport: a review and theoretical investigation." International Review of Sport and Exercise Psychology, 1(1), 31-44.