Die Entwicklung der Schnelligkeit im Kindes- und Jugendalter

von Gastautor


Gepostet am 5.3.2022


In diesem Beitrag erfährst du, wie sich die Schnelligkeit zusammensetzt bzw. definiert wird, welche Einflussgrößen entscheidend sind und welche Trainingsformen die Schnelligkeit verbessern können.


Einleitung

In meiner literaturbasierten Abschlussarbeit habe ich mich mit der Entwicklung der Schnelligkeit im Kindes- und Jugendalter befasst und die altersabhängige Entwicklung der Schnelligkeit am Beispiel des Sprints dargelegt. Im kommenden Gastbeitrag, ein Ausschnitt meiner Arbeit, erfährst du, wie sich die Schnelligkeit zusammensetzt bzw. definiert wird, welche Einflussgrößen entscheidend sind und welche Trainingsformen die Schnelligkeit verbessern können.

In Abbildung 1 ist zu erkennen, dass zur Ausprägung der Schnelligkeit das Neuromuskuläre System, die Kraft, die Koordination und die Beweglichkeit (mit)verantwortlich sind.


Abbildung 1: Darstellung des neuromuskulären Systems nach Wirth (2021)


Nach Schmidtbleicher (1994, S. 129) darf die Schnelligkeit nicht als eigenständige motorische Fähigkeit angesehen werden. Auch Grosser (1992, S. 394) hat angemerkt, dass die Schnelligkeit nicht als einzelne „Eigenschaft“ auftritt und durch die schematische Darstellung (Abbildung 1) nach Wirth (2021) wird klar, dass zur Ausprägung der Schnelligkeit das Neuromuskuläre System, die Kraft, die Koordination und die Beweglichkeit (mit)verantwortlich sind.

Hauptteil

Einen entscheidenden Faktor für die Entwicklung der Schnelligkeit im Kindes- und Jugendalter zu nennen ist nicht möglich. Im Laufe der Entwicklung eines Kindes bzw. Jugendlichen werden auf physiologischer und koordinativer Ebene viele Veränderungen wahrgenommen. Oliver und Rumpf (2019, S. 80) haben aufgezeigt, dass nicht ein Faktor als der Entscheidende für die Zunahme der Schnelligkeit in der Kindheit verantwortlich gemacht werden kann.

Letztlich steht aber fest, dass für die Entwicklung der Schnelligkeit neuronale und auch die Einflussgrößen der Muskeln entscheidende Faktoren sind. Berücksichtigt man anthropometrische und biomechanische Einflussgrößen bei der Diagnostik, so sind diese beiden Faktoren wichtige Parameter. Ergänzend zu den bereits genannten Einflussgrößen ist die Elastizität von Muskeln und Sehnen zu nennen. (Schmidtbleicher, 1994, S. 130).

Die Autoren Sander et al. (2012) haben bei einer Intervention mit Fußballern (n=142) aus der höchsten bzw. zweithöchsten Juniorenspielklasse die Entwicklung der Sprintleistung durch ein Krafttraining untersucht. Die Spieler im Altersbereich von 13 bis 18 Jahren [Alterskategorie A (jünger 19 Jahre), B (jünger 17 Jahre) und C (jünger 15 Jahre)] wurden innerhalb der Alterskategorien in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe führt zusätzlich zum Fußballtraining ein Jahr lang zweimal die Woche ein Krafttraining durch. Eine zweite Gruppe hat ausschließlich an vier Fußballtrainings pro Woche teilgenommen. Die Krafttrainingsgruppe absolvierte folgende Übungen:

  • parallele Nackenkniebeuge
  • Frontkniebeuge
  • Bankdrücken
  • Kreuzheben
  • Rudern vorgebeugt
  • Nackendrücken
  • Übungen für die Rumpfmuskulatur

Ein Linearsprint über 30m wurde zur Ermittlung der Sprintleistung durchgeführt. Zur Messung wurden sieben Doppellichtschranken verwendet und die Spieler konnten selbstständig über den Start entscheiden. Die Zeit wurde beim Linearsprint ab Meter 5 und alle weiteren 5m ermittelt. Die Test-Retest-Korrelationen für die jeweiligen Sprintdistanzen ergaben r=0.94-0.98. Die Krafttrainingsgruppen bei den A- und B-Junioren wiesen in der Sprintleistung signifikante bessere Leistungen in den Teilabschnitten 5m bis 30m auf (p < 0.05), wobei im C-Jugendbereich, bei den jüngsten Teilnehmern, keine signifikanten Unterschiede in den Gruppen ermittelt werden konnten. Die Autoren Sander et al. (2012) merken an, dass die aufgrund der geringen Probandenzahlen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden sollten und eine weitere Kontrollgruppe aus untrainierten Jugendlichen aus organisatorischen Gründen nicht teilnehmen konnte. Als Resümee verbleibt, dass ein Krafttraining einen positiven Effekt auf die Sprintleistung zu haben scheint, jedoch der Übertrag der Kraftsteigerungen in der Kniebeuge auf die Sprintleistung nach einem Jahr Krafttraining nicht sehr groß ist. Demnach sollten laut der Autoren Überlegungen angestellt werden, bereits früher mit einem Krafttraining zu beginnen, um den Übertrag besser zu gewährleisten.

Eine weitere Studie von Sander et al. (2013) über 2 Jahre mit 134 Nachwuchsfußballern zeigt, dass zwei zusätzliche Krafttrainingseinheiten zu den vier Fußballtrainingseinheiten pro Woche zu signifikanten Verbesserungen in der Sprintleistung geführt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde im Jugendfußball noch keine Studie über 2 Jahre durchgeführt. Ein Krafttrainingsprogramm mit Übungen der Kniebeuge (Front und Nacken) haben einen positiven Effekt auf die Leistungen im Sprint. Bei den jüngsten Probanden zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen der Trainings- und Kontrollgruppe in allen Teilbereichen bei einer Sprinttestung auf 30m (p<0.001; p<0.01, d=0.7-0.9). Diese Untersuchungsergebnisse veranschaulichen den positiven Einfluss durch ein Krafttraining auf die Maximalkraft und die Leistung im Sprint bei Nachwuchsfußballern. Sowohl die vordere als auch die hintere Kniebeuge zeigte in der A- und B-Kohorte eine Kraftentwicklung von 100 bis 120%. Für die C-Kohorte wurde eine Kraftsteigerung von 300% im 1RM festgestellt. Somit zeigt sich, dass Gewichthebeübungen geeignet sind, um junge Fußballer zu trainieren und das Leistungsniveau des Sprints zu steigern. Auch Young et al. (2001) empfehlen freie Gewichte im Krafttraining zu nutzen, um eine Verbesserung der Sprintleistung in der Beschleunigungsphase zu erreichen. Das Fazit ist, dass Krafttraining zusätzlich zum regulären Fußballtraining über 2 Jahre bessere Ergebnisse als das reguläre Fußballtraining allein, zeigt. Blimkie (1993) bekräftigt außerdem die Nutzung von freien Gewichten und äußert sich dazu wie folgt:


„It is likely that improved motor coordination also contributes in part to these observed resistance training-induced strength gains. Improved movement coordination is probably a more important contributor to strength gains in more complex, multi-joint exercises, e.g. the 1RM arm curl or leg press exercises, than in less complex and more isolated actions such as those involved in isometric strength assessment of the elbow flexors or knee extensors.” (Blimkie, 1993, S. 399)



Fazit

Für die Praxis kann mitgenommen werden, dass eine Trainierbarkeit der Schnelligkeit im Kindes- und Jugendalter möglich ist, wenn die genannten Faktoren (neuromuskuläres System, Kraft, Koordination, Beweglichkeit), die für eine Verbesserung der Schnelligkeit verantwortlich sind, trainiert werden. Da die Einflussgrößen der Muskeln wesentlich für die Entwicklung der Schnelligkeit sind (Schmidtbleicher, 1994, S. 130) und sich die Muskelkraft durch gezieltes Krafttraining steigern lässt (Keiner et al., 2013), kann Krafttraining ein Mittel sein, um die Schnelligkeitsleistungsfähigkeit zu verbessern.

Die in meiner Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass ein progressives Krafttraining zusätzlich zum Schnelligkeitstraining im Kindes- und Jugendalter eine Möglichkeit sein kann, um die Schnelligkeit zu verbessern. Es scheint, dass auch die Trainierbarkeit der Beweglichkeit und der Koordination gegeben ist und eine nicht unerhebliche Rolle spielt, wenn es das Ziel ist, bei einem Sprint die maximale Geschwindigkeit zu erreichen.





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Über den Autor Christopher Pinter:

18.12.1991

Athletik- & Rehatrainer @therapiezentrum.com

vorherige Vereine als Trainer:

Alemannia Aachen

FC Flyeralarm Juniors


Quellen


Blimkie, C. J. (1993). Resistance training during preadolescence. Sports Medicine, 15(6), 389-407.

Grosser, M. (1992). Schnelligkeit. In P. Röthig (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon (Vol. 6, S. 394-395). Schorndorf: Hofmann.

Oliver, J. L., & Rumpf, M. C. (2019). Speed development in youth. In R. S. Lloyd & J. L. Oliver (Hrsg.), Strength and conditioning for young athletes: science and application (Vol. 1, S. 80-93). New York: Routledge.

Sander, A., Keiner, M., Wirth, K., & Schmidtbleicher, D. (2012). Entwicklung von Sprintleistungen durch ein Krafttraining im Nachwuchsleistungssport Fußball. Spectrum, 24(2), 28-46.

Sander, A., Keiner, M., Wirth, K., & Schmidtbleicher, D. (2013). Influence of a 2-year strength training programme on power performance in elite youth soccer players. European Journal of Sport Science, 13(5), 445-451.

Schmidtbleicher, D. (1994). Entwicklung der Kraft und der Schnelligkeit. In J. Baur (Hrsg.), Motorische Entwicklung. Ein Handbuch (Vol. 1, S. 129-150). Schorndorf: Hofmann.

Wirth, K. (2021). Schnellentwicklung - Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen. Retrieved 27.02.2021, from https://docplayer.org/73843664-Schnellkraftentwicklung-krafttraining-mit-kindern-und-jugendlichen-klaus-wirth.html

Young, W., Benton, D., & John Pryor, M. (2001). Resistance training for short sprints and maximum-speed sprints. Strength & Conditioning Journal, 23(2), 7-13.