In den 1980er- Jahren wurde Fußball als reine Ausdauersportart angesehen. Die beiden Fähigkeiten Kraft und Schnelligkeit wurden dabei fast nicht berücksichtigt. Damals glaubte man, dass die Schnelligkeit ausschließlich genetisch veranlagt sei und deswegen nicht trainiert werden könne. Entweder du bist ein Sprintertyp mit sehr vielen schnell zuckenden Muskelfasern, oder du bist eher der Ausdauertyp mit überwiegend langsam zuckenden Fasern. Durch das Training, so glaubte man, kann diese genetische Voraussetzung nicht wesentlich verändert werden. Koordination und Beweglichkeit war in der damaligen Zeit sowieso irrelevant.
In den 1990er Jahren kam es zur ersten „konditionellen Revolution“ im Fußball. Der Schwerpunkt wurde vom Thema Ausdauer weg, hin zum Thema Schnelligkeit verlagert. Ausgangspunkt dieses Trends war Ajax Amsterdam unter Luis van Gaal. Van Gaal verbot seinen Trainern isolierte Ausdauerläufe zu machen. Die Ausdauerfähigkeit wurde somit nur mehr spezifisch in Spielformen trainiert. Zusätzlich wurden alle Komponenten eines Schnelligkeitstrainings in das Fußballtraining integriert (Lauftechnik, Bewegungsfrequenz etc.). Durch diese Maßnahmen wurde Ajax in den darauffolgenden 5 Jahren zum Maß der Dinge im europäischen Spitzenfußball. Sehr viele Trainer aus der ganzen Welt pilgerten nach Amsterdam, um dieses Konzept zu kopieren.
Im Jahr 2004 kam es zur zweiten „konditionellen Revolution“. Ausgangspunkt war diesmal Jürgen Klinsmann. Er übernahm 2004 die deutsche Nationalmannschaft und nahm gleichzeitig zahlreiche Experten im Bereich des funktionellen Krafttrainings aus den USA mit nach Deutschland. In den USA spielte schon damals die körperliche Entwicklung der Athleten eine zentrale Rolle. Unter der Leitung von Mark Verstegen kam das Konzept des funktionellen Krafttrainings dann auch nach Europa.
Ab den 2010er Jahren kamen dann auch noch die Themen Mobilität und Agilität hinzu.
Somit wurde der Fußball Schritt für Schritt athletischer. Es wurde immer mehr Wert auf die athletische Entwicklung der Spieler gelegt, und dieser Trend hält bis heute an. Gleichzeitig haben wir heute zum Teil das Problem, dass die Trainingszeit allmählich knapp wird. Der Trainer möchte alle leistungsrelevanten Komponenten trainieren und dementsprechend verbessern. Durch die Aufsplittung der Sportart in die einzelnen Komponenten bleibt häufig wenig Zeit für das eigentliche Training – das Fußball spielen.
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Ein guter Athlet ist jedoch noch lange kein guter Fußballspieler.
Und so kam es, wie es kommen musste, zu einer dritten „konditionellen Revolution“ – ein ganzheitlicher Ansatz wurde entwickelt. Durch Vordenker wie Vitor Frade, Paco Seirul-lo oder Raymond Verheijen rückte das Fußballspielen wieder in den Mittelpunkt, ohne die Athletik zu vernachlässigen. Das Spiel wurde immer schneller und wird es auch weiterhin werden. Deswegen werden Fähigkeiten wie die Handlungsschnelligkeit immer wichtiger. Die Spieler müssen im Laufe eines Spiels hunderte Entscheidungen in einem Bruchteil einer Sekunde treffen. Wer schneller entscheidet und dabei weniger Fehler macht, hat einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Spielern.
Auch die Taktik tritt immer mehr in den Vordergrund. Die Spieler müssen genau wissen, in welcher Situation sie was machen müssen. Alle Spieler müssen in bestimmten Momenten ohne zu zögern gleichzeitig reagieren. Diese Fähigkeiten werden nur durch das Spielen selbst erlernt.
Gleichzeitig können auch alle anderen leistungsrelevanten Komponenten durch eine richtige Planung, mittrainiert werden. In Folge kann die Trainingszeit viel effektiver genutzt werden, ohne die Spieler zu überlasten.
Aus diesem Trend heraus - fast alles komplex in Spielformen zu trainieren - hat sich die vierte einschneidende Veränderung im Fußball ergeben. Die Digitalisierung und Datenanalyse macht auch vor dem Fußball nicht halt. Durch den technologischen Fortschritt der letzten Jahre kann auch das Training in komplexen Spielformen immer besser gesteuert werden. Durch einen bestimmten Aufbau der Spielform, oder durch bestimmte Regeln, können konditionelle Fähigkeiten (z.B.: Kraft, Schnelligkeit oder Ausdauer) individuell genau gesteuert bzw. entwickelt werden. Der Effekt kann durch Trackingsysteme oder andere softwaregestützte Hilfsmittel überprüft und angepasst werden.
Durch eine entsprechende Datenerhebung & Datenauswertung kann das Training zusätzlich optimiert und professionalisiert werden. Außerdem gibt es immer mehr gute und gleichzeitig preiswerte Systeme auf dem Markt, die die Arbeit des Trainers und des ganzen Vereines erleichtern und verbessern. Dadurch erreicht die "vierte Revolution“ mittlerweile auch den Amateurfußball. Immer mehr Trainer trainieren dem heutigen Wissensstand entsprechend und erreichen dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten.
Ich hoffe, dass bald alle Fußballtrainer und Vereine diesen Trend erkennen und ihr Training dementsprechend anpassen. Fakt ist aber, dass leider einige noch nicht einmal bei der "ersten konditionellen Revolution" angekommen sind.
Lies auch: Das athletische Anforderungsprofil eines Fußballspielers
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