Während die „Taktische Periodisierung“ mittlerweile jedem modernen Trainer ein Begriff sein dürfte, kennen die wenigsten das Model des Strukturierten Mikrozykluses. Dieses Modell ist im englisch- und deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbekannt.
Dieses Periodisierungsmodell wird jedoch von einem der bekanntesten Trainer der Welt verwendet – Pep Guardiola.
Entworfen wurde das Modell von Professor Paco Seirul-lo, der von den meisten unter „Paco“ bekannt ist. Der Strukturierte Mikrozyklus ist die Grundstruktur der Trainingsplanung, die Paco beim FC Barcelona schon unter Johan Cruyff eingeführt hat.
Wie Vítor Frade (gilt als der Vater der Taktischen Periodisierung), hat Professor Seirul-lo in den letzten Jahren mit der klassischen Form der Trainingsplanung im Fußball (Klassische Periodisierung) gebrochen und einen Paradigmenwechsel in der Konzeption des Fußballtrainings bewirkt.
Seirul-lo entwickelte diese Theorie nach seiner Zeit als Leichtathletiktrainer, als er zum FC Barcelona kam. Er stellte fest, dass die Vorbereitung von Mannschaften im Fußball auf den Trainingsprinzipien der Leichtathletik beruht. In seinen Augen ist jedoch diese Art der Trainingsplanung vollkommen unpassend für eine Mannschaftssportart. Der Fußball ist viel zu komplex und sollte deswegen anders betrachtet bzw. trainiert werden.
Seine Arbeiten haben dazu beigetragen, die Ansichten des Vereins zum Training zu ändern und halfen dabei dem FC Barcelona ein Modell zu entwickeln, bei dem Körper und Geist gemeinsam trainiert werden und der Spieler als Ganzes weiterentwickelt wird und nicht nur einzelne Teilfähigkeiten.
Pep Guardiola – damaliger Spieler des FC Barcelonas – wurde von dieser Denkweise so stark beeinflusst, dass auch er das Model „Microciclo-Estructurado“ als Trainer verwendet.
Auch andere Trainer, wie zum Beispiel Mikel Arteta, haben mittlerweile dieses Modell übernommen.
Lies dazu auch: Trainingssteuerung im Fußball
Und
Taktische Periodisierung (Teil 1) – ein Erfolgsmodell
Die Grundidee
Das Modell hat einige ähnliche Ansätze wie das Modell der Taktischen Periodisierung.
Beide Modelle gehen weg von der Betrachtung einzelner Fähigkeiten hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. In der klassischen Trainingsplanung werden die Komponenten Taktik, Technik, Kondition und Psyche isoliert betrachtet und auch meistens isoliert trainiert.
Konditionstraining= z.B. laufen gehen
Techniktraining= z.B. Hütchenparcour
Im Taktischen Periodisierungsmodell und im Strukturierten Mikrozyklus werden die einzelnen Komponenten nicht isoliert, sondern komplex betrachtet und auch meist so trainiert.
Der Unterschied zwischen der Taktischen Periodisierung und dem Strukturierten Mikrozyklus ist jedoch der Ausgangspunkt. Im Gegensatz zur Taktischen Periodisierung konzentriert sich Paco’s Modell auf das einzelne Individuum und nicht auf die Mannschaftstaktik. Seiner Meinung nach muss, um die individuelle Performance eines Spielers steigern zu können, auch der Spieler selbst, also das Individuum im Mittelpunkt stehen.
In der Taktischen Periodisierung steht das Spielmodell, also das taktische Verhalten der gesamten Mannschaft im Mittelpunkt. Dies zeigt deutlich den Unterschied zwischen der klassischen Periodisierung und dem Strukturieren Mikrozyklus.
ð Strukturierter Mikrozyklus: Der Einzelne als Zentrum von allem
Komplexe Strukturen
Aus der Analyse des Individuums als Zentrum des Prozesses nimmt Professor Seirul-lo an, dass ein Spieler aus verschiedenen Strukturen besteht. Alle verschieden komplex, doch diese Strukturen müssen verstanden werden, um den Spieler als Ganzes zu verstehen.
Paco’s Ansatz berücksichtig das Zusammenspiel aller Strukturen eines Spielers. Das bedeutet, dass die einzelnen Fähigkeiten nicht getrennt betrachtet werden dürfen, sondern gemeinsam bzw. ganzheitlich entwickelt werden müssen, um die Leistungsfähigkeit des Spielers am Feld zu verbessern.
Einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung eines Spielers hat demnach auch der emotionale Zustand eines Athleten. Emotionen haben einen direkten Einfluss auf das Verhalten des Athleten.
Aus diesem Grund werden im strukturierten Mikrozyklus 6 Strukturen vorgeschlagen, die bei der Planung von Übungen in der Praxis berücksichtigt werden müssen:
ð Konditionelle Strukturen
ð Koordinative Strukturen
ð Mental-kognitive Strukturen
ð Sozio-affektive Strukturen
ð Emotionale Strukturen
ð Kreativ-expressive Strukturen
Wie schon erwähnt, stehen diese Strukturen des Sportlers miteinander in Beziehung. Eine Veränderung einer Struktur hat zwangsläufig auch einen Einfluss auf andere Strukturen, was wiederum auf die Gesamtleistung des Spielers einen Einfluss hat.
Paco schlägt deswegen vor, das Mannschaftstraining so zu gestalten, dass immer alle Strukturen innerhalb einer Übung vorhanden sind, um den Spieler als Ganzes zu entwickeln.
Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass der Trainer in diesem Konzept nicht alle „Lösungen“ vorgibt – wie es häufig in der klassischen Periodisierung der Fall ist -, sondern eine Umgebung des Lernens schafft, indem die Spieler eigene Lösungen finden und entdecken können. Nur so ist laut Paco eine optimale Entwicklung des Spielers möglich. Der Spieler muss im Training viele verschiedene Erfahrungen sammeln dürfen und deswegen mit vielen verschiedenen Aufgaben konfrontiert werden.
Also kein klassisches „Einschleifen“ einer Technik, wie wir es aus der traditionellen Trainingstheorie kennen (z.B. 50x den gleichen Trick um das gleiche Hütchen), sondern der Spieler lernt laut Paco am besten durch vielfältige und immer neue Bewegungserfahrungen und Reize.
Einer der wichtigsten Faktoren in diesem Modell ist deswegen die „Variabilität“. Beim strukturierten Ansatz sollten die Übungen häufig wechseln und somit die Sportler immer wieder mit neuen „Problemen“, die sie lösen müssen, konfrontiert werden.
Die Zauberformel: Wiederholen, ohne zu wiederholen
Deswegen sollten die meisten Übungen (vor allem im Mannschaftstraining am Platz) mit Ball und Gegenspieler durchgeführt werden (=>Rondos, Spielformen, Small Sided Games). Denn nur mit Gegenspielern entstehen spielnahe Situationen, die der Spieler dann letztendlich auch am Spieltag benötigt.
Dadurch wird nicht nur z.B. das Passspiel trainiert, sondern es werden alle Strukturen des Athleten miteinbezogen und durch ein entsprechendes Coaching trainiert. (konditionell: der Spieler muss laufen, sprinten etc., koordinativ: der Spieler muss seine Bewegungen koordinieren können, emotional: er muss bei der Sache bleiben und darf nicht die Kontrolle verlieren, sozio-affektiv: der Spieler interagiert mit seinen Mit- und Gegenspielern, kreativ-expressiv: der Spieler darf selbst Erfahrungen machen und Entscheidungen treffen und kognitiv: der Spieler muss Informationen aufnehmen und verarbeiten)
Durch kreative Übungen kann der Trainer eine oder mehrere Strukturen des Spielers priorisieren/ überladen, währenddessen alle anderen Strukturen ebenfalls trainiert werden. Dies ist nur mit Ball und Gegenspieler möglich.
Dürfen keine isolierten Übungen gemacht werden? Muss alles in Spielformen trainiert werden?
Das ist ein Punkt, der unter Trainern sehr häufig intensiv diskutiert wird.
Das eine Extreme:
- Alle Übungen nur mit Ball und Gegenspieler. Isolierte Übungen sind nutzlos und sind sogar für die Entwicklung hinderlich.
Das andere Extreme:
- Einschleifen, einschleifen, einschleifen durch hunderte Wiederholungen. Nur dadurch erlernen die Spieler die korrekte Technik. Wenn die Spieler nicht passen können, dann macht eine Spielform doch gar keinen Sinn.
Meiner Meinung nach ist das ein zu starkes Schwarz-Weiß-Denken, wie leider so oft in unserer Gesellschaft.
Die Arbeiten von Paco Seirul-lo und Vitor Frade zeigen zwar, dass Spieler ganzheitlich betrachtet werden sollten und deswegen komplexe Übungsformen (Spielformen, Rondos, SSG’s) isolierten Übungen überlegen sind. Das bedeutet aber nicht, dass keine anderen Übungen gemacht werden dürfen.
Dieser ganzheitliche Ansatz wird häufig von den Trainern falsch verstanden. Viele glauben dann, dass gar keine isolierten Übungen gemacht werden dürfen, oder dass diese sogar schlecht sind. Nein…
Auch der FC Barcelona, der für seinen spielerischen Ansatz bekannt ist, trainiert gewisse Dinge isoliert. Ebenso Pep Guardiola bei seinen anderen Trainerstationen.
Der Löwenanteil der Übungen sollte unbedingt aus Spielformen etc. bestehen, trotzdem ist es manchmal notwendig auch allgemeine oder weniger spezifische Übungen einzubauen, um gewisse Systeme bewusst zu überladen, die in Spielformen zwar trainiert werden aber nicht überladen werden können.
Ein Bereich, der zum Beispiel nicht ausreichend in Spielformen entwickelt werden kann, ist die Maximalkraft. Und ja, auch Barcelona macht zusätzliches Krafttraining. Ein bisschen anders, aber dazu werde ich mal einen eigenen Beitrag verfassen.
Isoliertes Techniktraining ist auch nicht falsch oder vielleicht sogar hinderlich für die Entwicklung der Spieler. Zuhause allein mit dem Ball zu jonglieren oder gegen eine Wand zu passen ist zwar bei weitem nicht so effektiv, wie wirklich mit Freunden Fußball zu spielen. Doch hinderlich für die Entwicklung der Spieler sind diese Übungen mit Sicherheit nicht, wie teilweise von einigen Trainern behauptet wird.
Im Mannschafstraining sollte die Zeit effizient genutzt werden. Das bedeutet, dass so viel wie möglich komplex in Spielformen trainiert werden sollte. Zusätzlich können die Spieler – vor allem im Jugendbereich – isoliert an zum Beispiel der Technik, Koordination oder Kognition feilen.
Vorsichtig sollte man jedoch bei der Belastung sein. Zusätzliche Belastungseinheiten meiner Meinung nach nur so, dass die viel wichtigeren Mannschaftstrainings dadurch nicht negativ beeinflusst werden (physische sowie psychische Ermüdung).
Einteilung der Spezifität von Übungen
Wie spezifisch die Übungen sein sollten, ist laut Paco vom Trainingstag und von der Trainingswoche abhängig.
Einteilung der Spezifität:
Allgemeine Übungen:
ð Allgemeine Übungen wie Schwimmen, Laufen oder Radfahren. Sie können leistungsunterstützend wirken, sind aber nicht spezifisch.
Spezifische Übungen: Es gibt vier verschiedene Arten von spezifischen Übungen
ð Allgemein: Übungen, wie Intervallläufe (z.B. HIIT) oder Maximalkraft- bzw. Schnellkrafttraining. Diese Übungen sind wichtig, da sie die körperliche Leistungsfähigkeit eines Sportlers verbessern können. Sie sind jedoch nicht spezifisch genug, um die genaue Belastungsstruktur des Fußballs widerzuspiegeln.
ð Gezielt: Übungen, die dem Spiel ähneln (einfache Rondos, wie z.B. 4 gegen 1)
ð Speziell: Diese Übungen sind wieder ein Stück spezifischer als die Kategorie davor. (z.B: 3 vs. 3 vs. 3, oder 6 vs. 4)
ð Wettbewerb: Sind dem Wettbewerb (Match) schon sehr nahe. (Größere Spieler mit Richtung)
Die verschiedenen Übungstypen sind im Strukturierten Mikrozyklus sehr wichtig, da in verschiedenen Phasen der Saison auch verschiedene Übungsformen priorisiert werden.
Zum Beispiel gibt es in Paco`s Modell fünf verschiedene Mikrozyklen (ein Mikrozyklus= eine Woche).
Vorbereitender Mikrozyklus: Übergangsphase und zu Beginn der Vorbereitungsperiode. Allgemeine und gezielte Übungen wechseln sich mit teilweise speziellen Übungen ab.
Gezielter-Transformations-Mikrozyklus: In diesem Mikrozyklus werden hauptsächlich gezielte und spezielle Übungen verwendet. Dieser Mikrozyklus wird normalerweise ab der zweiten Woche der Vorbereitungsperiode bis zum Saisonstart verwendet. Außerdem kann dieser Mikrozyklus in einer Woche ohne Spiel eingesetzt werden.
Spezieller-Transformations-Mikrozyklus: Gekennzeichnet durch einen besonderen Charakter der Übungen.
Erhaltender Mikrozyklus: In diesem Mikrozyklus herrscht ein Gleichgewicht zwischen speziellen, gezielten und Wettbewerbsübungen. Dieser Zyklus wird normalerweise während der Saison angewandt.
Wettbewerbs-Mikrozyklus: Dieser Zyklus wird verwendet, wenn mehr als ein Spiel pro Woche stattfindet.
Die Planung der Trainingswoche
Die Gestaltung der Trainingswoche ist schließlich einer der wichtigsten Faktoren in der Trainingsplanung.
Die Wochenplanung selbst ist der Taktischen Periodisierung wieder sehr ähnlich. 48 Stunden nach dem Spiel liegt das Hauptaugenmerk auf die Regeneration der Spieler.
Mittwoch und Donnerstag (wenn am Sonntag gespielt wird) sind die „Optimierungs-Tage“ Am Mittwoch wird in eher in kleinen Räumen (wenig Spieler und wenig Raum) gespielt, während am Donnerstag eher große Spielformen bevorzugt werden. Auch die physische Struktur wechselt zwischen diesen Tagen (Kraft – Ausdauer).
Der Freitag und der Samstag dienen der Vorbereitung auf das nächste Spiel.