Muskelverletzungen
von
Jürgen Pranger
Gepostet am 7.1.2022
Muskelverletzungen gehören zu den häufigsten Sportverletzungen überhaupt. 35% aller Muskelverletzungen im Sport treten beim Fußball auf. Muskelverletzungen ohne äußere Krafteinwirkung gehören jedoch grundsätzlich zu den vermeidbaren Verletzungen.
Die statistisch häufigste Einzelverletzung betrifft die Oberschenkelrückseite (Hamstrings). Außerdem ist die Gefahr einer erneuten Verletzung (rezidive Verletzung) an dieser Stelle besonders hoch. Eine gut trainierte und flexible Muskulatur, die neuromuskulär adäquat angesteuert wird, bietet einen guten Schutz vor Verletzungen der Gelenke und Bänder, schützt aber auch die Muskulatur selbst.
Bevor wir uns tiefer mit der Entstehung einer Verletzung und deren Prävention oder Therapie auseinandersetzen, sollten wir uns im Klaren sein, wie Verletzungen überhaupt definiert werden. Die FIFA definiert eine relevante Verletzung über den Umstand, dass der Sportler nach einer Verletzung nicht vollständig am Training oder an Wettkämpfen teilnehmen kann.
Kleinere Blessuren werden also nicht erfasst.
Die Schwere einer Verletzung lässt sich nach medizinischen Klassifikationen erfassen oder nach der Anzahl der Ausfalltage. Folgende Einteilung hat sich in diesem Zusammenhang bewährt:
- Minimal: 1-3 Tage
- Leicht: 4-7 Tage
- Mittel: 8-28 Tage
- Schwer: > 28 Tage
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Bei der Muskulatur ist wie bei den Gelenken vor allem die untere Extremität betroffen.
Die Wahrscheinlichkeit, eine muskulären Verletzung zu erleiden, steigt mit der Dauer der Belastung, was vor allem auf eine zunehmende Ermüdung zurückzuführen ist.
Vor der richtigen Therapie steht die richtige Diagnose! Eine sehr differenzierte und praktisch gut anwendbare Einteilung stammt von Dr. Müller - Wohlfarth, der Muskelverletzungen in 4 Haupttypen einteilt. Zwei dieser Typen werden noch einmal in "Ia/b und IIIa/b" unterteilt, sodass insgesamt sechs Verletzungstypen unterschieden werden können.
Klassifikation von Muskelverletzungen nach Dr. Müller-Wohlfarth:
Selbst im Profisport werden Muskelverletzungen viel zu häufig nur unzureichend diagnostiziert und behandelt, weil sie oft "nicht so schlimm" oder als Standard abgetan werden. Abhängig vom Schweregrad der Verletzung variieren die Therapiezeiten extrem.
Die Therapie selbst erfolgt immer konservativ, mit Ausnahme von Typ IV.
Die funktionellen Muskelverletzungen mit kurzer Regenerationszeit sind insgesamt häufiger als die strukturellen. Wichtig zu wissen ist, dass ein Muskel nicht nur aufgrund einer lokalen Schädigung schmerzhaft sein kann, sondern auch neurogen bedingt (Typ Ib/ IIa).
Dann liegt die Ursache in strukturellen oder funktionellen Störungen der Lendenwirbelsäule oder des Iliosakralgelenks. Bei diesen Störungen erfolgt eine ursächliche Therapie in erster Linie an der Wirbelsäule und nicht an der Muskulatur selbst.
Das Abtasten der Muskulatur - die Palpation - ist der erste Schritt der Diagnostik. Diese muss unbedingt im Seitenvergleich erfolgen, da der physiologische Muskeltonus - die "Spannung" des Muskels - sehr individuell ist. Technische Untersuchungsverfahren (Ultraschall und/oder MRT) ergänzen die körperliche Untersuchung.
Bei stärkeren Muskelverletzungen sollte unbedingt ein MRT durchgeführt werden.
Die konservative Therapie umfasst ein breites Spektrum an Physiotherapie inklusive Faszientherapie, Massage, Tapen, physikalischer Therapie (TENS, Kälte), die Anwendung von Enzymen, Mikronährstoffen und Injektionen.
Zur Prävention gehört ein ausreichendes Aufwärmen, das Erkennen von Asymmetrien und Dysbalancen (z.B. durch den Funktionell Movement Screen) und der Ausgleich durch korrigierende Übungen.
Gerade Defizite in der neuromuskulären Kontrolle der Lenden-Becken-Hüftregion sind ein maßgeblicher Risikofaktor für Muskelverletzungen der unteren Extremitäten. Ebenso wichtig ist eine kräftige und gut kontrollierte Rumpfmuskulatur.
Bei sportlichen Belastungen sind vor allem exzentrische, also abstoppende Belastungen Auslöser für Muskelverletzungen und sollten dementsprechend trainiert werden d.h. auch unter ermüdetem Zustand (z.B. nach dem Mannschaftstraining).
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Quellen
Klingenberg, M. (2018). Return-to-Sport: Funktionelles Training nach Sportverletzungen. Leitfaden für den erfolgreichen Wiedereinstieg in den Sport. Richard Pflaum Verlag GmbH, München
Jarvis, M. (2015). Strength and Conditioning for Football. Bloomsbury Sport, New York
Woods, C. et. al. (2004). The Football Association Medical Research Programme: an audit of injuries in professional football - analysis of hamstring injuries.