von Jürgen Pranger
Gepostet am 27.11.2020
Im ersten Teil wurde die Grundidee der taktischen Periodisierung erklärt. Im Teil 2 soll es um die genaue Trainingsplanung in diesem Modell gehen – den sogenannten Morphozyklus. Der Morphozyklus gibt die Form der Trainingsplanung zwischen zwei Spielen vor. Diese Grundstruktur berücksichtigt nicht nur die methodologischen und trainingswissenschaftlichen Prinzipien, sondern ermöglicht auch eine planmäßige Weiterentwicklung der Spielidee.
In den letzten Jahren war eine der meist diskutierten Fragen inmitten Sportwissenschaftlern, Athletiktrainern und Cheftrainern, die Wichtigkeit einen passenden Wochenplan zu designen. Das Ziel ist es, die Spieler taktisch sowie konditionell weiterzuentwickeln und dadurch die fußballerische Gesamtleistung der Mannschaft am Feld zu verbessern. Es kann nicht davon ausgegangen werden – wie dies in der klassischen Periodisierungsform oft gemacht wird, - dass die Spieler in einer 4-6 wöchigen Vorbereitungszeit optimal auf eine 10 monatige Wettbewerbsphase vorbereitet werden können. Deswegen muss eine Planungsstruktur gefunden werden, die über die gesamte Saison aufrecht, oder sogar gesteigert werden kann, um die Mannschaft ständig weiterzuentwickeln. (Kyprianou E., Farioli F., 2019, S. 28)
Die aufeinanderfolgende Wiederholung der Planungsstruktur hat das Ziel, die Leistung des Teams über die gesamte Saison hinweg zu stabilisieren. Ein großer Unterschied zu anderen Trainingsphilosophien ist der Fakt, dass bei der Taktischen Periodisierung in bestimmten Phasen der Saison auf Belastungsspitzen verzichtet wird. Der beste Indikator für eine gute sportliche Form zeigt sich in der beständigen Leistung der Teamorganisation. Um diese Spielstabilität zu erreichen, ist es notwendig, ein wöchentliches Trainingsmuster – den Morphozyklus – zu planen. Dieser Zyklus wird vom Beginn bis zum Ende der Saison wiederholt. (Mallo, 2015, S. 141)
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Auch die Belastungsverteilung in einem Morphozyklus unterscheidet sich von anderen traditionellen Trainingsstrategien. Während in traditionellen Trainingsplanungen das Trainingsvolumen mehr Beachtung bekommt, wird bei der Taktischen Periodisierung die Intensität bevorzugt. Es besteht die Idee in den Köpfen der meisten Trainer, dass sich das Trainingsvolumen und die Trainingsintensität zwischen der Vorbereitungsperiode und der Wettkampfperiode unterscheiden muss. Zuerst Grundlagenausdauer und danach bla bla bla – kennen wir alle.
„Ich glaube nicht an die Volumen-Intensitätsinversion. Zum Beispiel kann das, was normalerweise als aerobe Ausdauer bezeichnet wird, was üblicherweise durch das Trainingsvolumen erreicht wird, auch mit der Akkumulation maximaler relativer Intensitäten erreicht werden.“ -Jose Mourinho
Die Trainingszeit sollte nicht mehr als 90 Minuten betragen – Pausen zwischen den Übungen inkludiert. Durch die Verkürzung der Pausen zwischen den Übungen und durch die Gestaltung der Spielformen können die Intensität und das Trainingsvolumen gesteigert werden. (Work-Rest-Ratio) Außerdem sollte pro Tag höchstens eine Einheit geplant werden, damit sich die Spieler zwischen den Einheiten ausreichend regenerieren können. (Mallo, 2015, S. 142f)
Zwischen den Übungen sollte auf einen schnellen Wechsel der Übungsformen geachtet werden. Die Pausen zwischen den Übungen sollte aktiv gestaltet werden. Das Verlängern der Gesamttrainingszeit führt zu einer Reduktion der Qualität, weil die Spieler nicht in der Lage sind, die Konzentration aufrecht zu erhalten. (Mallo, 2015, S. 143)
=>Qualität vor Quantität. Die Spieler müssen jede Übung mit höchster Intensität und Konzentration ausführen
Auch die Konzentration (mentale Fähigkeit) wird auf diese Weise trainiert. Das Training der Konzentration erfordert größeren mentalen und emotionalen Aufwand von den Spielern, als sie es normalerweise gewohnt sind und führt dementsprechend zu einer „taktischen Ermüdung“.
„Die relevanteste Ermüdung im Fußball ist die Ermüdung des zentralen Nervensystems und nicht die physische Ermüdung. Jedes professionelle Team kann ein Spiel von dem energetischen Standpunkt aus, mit mehr oder weniger Aufwand, überstehen. Durch die Ermüdung des zentralen Nervensystems leidet jedoch die Fähigkeit fokussiert zu bleiben. Aus diesem Grund verlieren die Spieler die Fähigkeit sofort und koordiniert im Moment des Ballverlustes zu reagieren.“ -Jose Mourinho
Wenn all diese Überlegungen zusammengeführt werden, entsteht ein anderer Ansatz, Fußball zu trainieren. Dieser revolutionäre Ansatz wird durch den Einsatz des sich wöchentlich wiederholenden Morphozyklus umgesetzt.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, deshalb muss er sich von der ersten Woche weg an den Morphozyklus gewöhnen.“ -Frade
Ziele des Morphozyklus: (Mallo, 2015, S. 145)
Die Planung – und somit auch der Morphozyklus – sollte vom letzten Spiel bis zum nächsten Spiel erfolgen. Die Zeit zwischen zwei Spielen kann aufgrund des Spielplans variieren.
Wir können die Trainingswoche in lang, normal oder kurz einteilen, abhängig vom nächsten Spiel. MD und die Zahl (siehe Bild oben) gibt die Lage des Trainingstages zum Spiel an. MD+1 (also Spieltag+1) bedeutet einen Tag nach dem Spiel. MD-3 (Spieltag-3) bedeutet demnach 3 Tage vor dem nächsten Spiel. Der normale Zyklus beträgt bei den meisten Mannschaften 7 Tage (z.B.: wenn Samstag-Samstag gespielt wird). Finden zwei Spiele pro Woche statt, muss die Trainingsplanung entsprechend angepasst werden. (Kyprianou E., Farioli F., 2019, S. 32)
Die Wochenstruktur:
In der Abbildung oben, ist die wöchentliche Trainingsplanung eines Morphozyklus einer „normalen“ Woche dargestellt. Der Trainer hat 6 Tage zwischen den beiden Spielen Zeit für die vollständige Regeneration und die Vorbereitung auf den nächsten Gegner.
Zwei Tage (MD+1 und MD+2) werden für die passive und/oder aktive Regeneration verwendet. Welcher der beiden Tage der aktive Trainingstag ist, ist Geschmackssache und sollte vom Trainer individuell entschieden werden. Auf alle Fälle sollte an beiden Tagen nach dem Match die Regeneration im Vordergrund stehen.
Erst am dritten Tag nach dem Match können die Spieler wieder härter belastet werden. Demzufolge bleibt bei zwei Spielen pro Woche eigentlich keine Zeit für eine zusätzliche intensive Einheit. Bei einem normalen Wochenzyklus (ein Spiel pro Woche) sollten die nächsten 2-3 Tage nach der Regenerationsphase (MD+3, MD-3 und [MD-2] für die Weiterentwicklung der Mannschaft verwendet werden. Dabei sollte an jedem Tag ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden. Am Trainingstag MD+3 sollten die Gruppentaktik (Sub-Prinzipien und Sub-Sub-Prinzipien) und die fußballspezifische Kraft im Fokus stehen. Demzufolge sollten kleinere Spielformen mit vielen kurzen Antritten, Richtungswechsel und Abbremsbewegungen, etc. absolviert werden.
Drei Tage vor dem nächsten Spiel (MD-3) stehen mannschaftstaktische Ziele und die fußballspezifische Ausdauer im Vordergrund. In Folge werden größere Spielformen mit einer längeren Belastungszeit und einer kürzeren Erholungsphase zwischen den Durchgängen durchgeführt. Die Spieler sollten in den Spielformen mehr Raum (über 150m² pro Spieler) zur Verfügung haben. Dadurch ist gewährleistet, dass die Spieler mehr Meter und ebenfalls mehr Meter mit hoher Geschwindigkeit zurücklegen.
Zwei Tage vor dem Spiel (MD-2) stehen wieder gruppentaktische Spielformen auf dem Programm. Diesmal ist jedoch die fußballspezifische Schnelligkeit das konditionelle Ziel. Dabei werden Spielformen verwendet, in denen die Spieler maximale Geschwindigkeiten erreichen und eine längere Erholungszeit zwischen den Übungen haben. Die allgemeine Belastung sollte jedoch nicht allzu hoch sein, da die Spieler für das kommende Spiel nicht überlastet werden sollen.
Einen Tag vor dem Match (MD-1) ist zu empfehlen, die Belastung gering zu halten. Die Trainingszeit sollte 70 Minuten nicht übersteigen. Die Übungen sollten aber trotzdem mit hoher Intensität und Konzentration ausgeführt werden. Die Belastungszeit ist dabei gering und die Pausendauer zwischen den Wiederholungen lang. Somit kann der Umfang und im Endeffekt die Belastung gering gehalten werden. Dadurch kann an diesem Tag ebenfalls an der Spielidee gearbeitet werden, ohne dass die Spieler überlastet werden und müde ins Spiel gehen.
In der Abbildung oben wird der Wochenplan aus der Sicht eines Athletiktrainers dargestellt.
Ja, natürlich. Die Grundstruktur sollte in einem Verein bei allen Mannschaften eingeführt werden – auch bei den Nachwuchsmannschaften.
Auch im Amateurbereich ist es sinnvoll, auf die taktische Periodisierung zu setzten. Durch die meist geringere Anzahl an Trainingstagen pro Woche muss die Planung zwar angepasst werden, die Mannschaft wird jedoch auf alle Fälle von dieser Methode profitieren. Aufgrund der geringeren Trainingszeit ist eine effiziente und ganzheitliche Trainingsplanung sogar noch wichtiger.
Die Grundregeln bleiben dabei gleich. Stehen weniger Trainingseinheiten zur Verfügung, werden Trainingstage gestrichen, ohne die Grundstruktur des Morphozyklus zu zerstören. Bei 4 Trainingseinheiten pro Woche würde ich zum Beispiel die MD-2 Einheit (in diesem Fall das Training am Donnerstag) streichen und die aktive Regeneration auf Montag verlegen.
Stehen 3 Einheiten zur Verfügung würde ich die aktive Regenerationseinheit nicht im Mannschaftsverbund durchführen. Jeder Spieler sollte selbstständig eine lockere Einheit (Lockerung, dehnen, etc.) durchführen.
Bei 2 Trainingstagen wäre es sinnvoll, das Freitagstraining zu streichen und eine Einheit auf den Donnerstag zu legen. (Trainingstage: Dienstag und Donnerstag)
Die Trainingsplanung nach der Taktischen Periodisierung ist auf einen strukturierten Wochenplan – dem Morphozyklus – aufgebaut. Dieser Zyklus sollte ständig und unabhängig von der Saisonphase wiederholt werden. Die Trainingszeit wird dabei sehr effizient genutzt, da alle relevanten Aspekte nicht isoliert, sondern komplex trainiert werden.
Diese Trainingsmethode kann, wenn sie richtig ausgeführt wird, sehr viele Vorteile mit sich bringen und die Gesamtleistung einer Mannschaft erheblich steigern – vorausgesetzt das nötige Know-How ist im Trainerteam vorhanden. Die Trainer müssen ein fundiertes Fußballwissen in allen Bereichen mitbringen, um das Training entsprechend zu steuern und alle Aspekte zu berücksichtigen. Eine Trainingseinheit mit isolierten Übungen (Spieler A spielt zu Spieler B und so weiter) und Diagonalläufen ist leicht zu planen und kann jeder durchführen. Diese Form des Trainings ist keine Kunst. Eine optimale Entwicklung der Spieler ist hierbei aber sicherlich nicht gewährleistet. Sehr viel Potential wird verschwendet und die Spieler sind nicht in der Lage, im Spiel die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig müssen sie konditionell fit sein und über 90 Minuten+ konzentriert bleiben.
Jeder gute Trainer, der sich selbst und seine Mannschaft weiterentwickeln möchte, sollte sich mit neuen Trainingsansätzen auseinandersetzen.
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Henseling M. (2015). Trainingssteuerung. https://spielverlagerung.de/2015/07/11/trainingssteuerung/ [Zugriff: 21.4.2020]
Kyprianou E., Farioli F. (2019). Balancing physical & taktikal Load in soccer. A holistic approach. Complementary Training, Belgrade
Mallo J. (2015). Complex Football. From Seirul.lo`s Structured Training to Frade`s Tactical Periodisation. Topptosoccer S.L., Spain