von Jürgen Pranger
Gepostet am 25.6.2021
Der Sport entwickelt sich kontinuierlich weiter. Da Studien gezeigt haben, dass Verletzungsraten wahrscheinlich einen wesentlichen Einfluss auf die Gesamtleistung einer Mannschaft und letztendlich auch auf Ligaplatzierung haben können (Bengtsson, 2013; Eirale, 2012), hat die Forschung zur Belastungs- bzw. Trainingsteuerung in den letzten Jahren stark zugenommen. Tatsächlich wird allgemein angenommen, dass Verletzungen aufgrund falscher Trainingsbelastungen größtenteils vermeidbar wären. Daher sollten Trainer/ Athletiktrainer/ Sportwissenschaftler diesen Problemen durch die Implementierung von Monitoringsystemen entgegenwirken. Eine solche Methode zur Überwachung der Trainingsbelastung, die in den letzten zehn Jahren aufgrund ihrer Vielseitigkeit an Popularität gewonnen hat, ist das Verhältnis von akuter zu chronischer Trainingsbelastung (ACWR).
Die Überwachung der Trainings- und Matchbelastung ist unerlässlich, um die Leistung zu verbessern und Verletzungen vorzubeugen. Ein effektives Überwachungsprotokoll kann wichtige Rückmeldungen geben, um die Planung und Periodisierung des Trainings zu unterstützen, die körperliche Verfassung zu optimieren und Verletzungen zu vermeiden. (White, 2017). Doch können Verletzungen vorausgesagt werden?
Angesichts der Bedeutung der Verfügbarkeit von Spielern und der Gesamtleistung des Teams hat die Forschung zu Trainingsbelastung und Überwachung in den letzten Jahren stark zugenommen (Bourdon, 2017). Die Ergebnisse dieser Forschung legen nahe, dass ein schlechtes Trainingsbelastungsmanagement der Hauptrisikofaktor für Verletzungen ist (Soligard, 2016). Tatsächlich wird allgemein angenommen, dass Verletzungen aufgrund von Trainingsbelastung größtenteils vermeidbar sind.
Das ACWR ist eine einfache Methode, die Trainingsbelastung der Spieler zu überwachen.
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Schon 1975 schlugen Banister et al. vor, dass „die Leistung eines Athleten als Reaktion auf das Training aus dem Unterschied zwischen einer negativen Funktion („Müdigkeit“) und einer positiven Funktion („Fitness“) geschätzt werden kann.“
Leistung = Fitness – Müdigkeit
Folglich besteht das Ziel darin, die Fitness der Spieler zu erhöhen, ohne die Spieler zu stark zu ermüden bzw. zu übermüden.
Genau diese kumulierende Müdigkeit, die die Spieler über die letzten Belastungen hinweg anhäufen, werden von vielen Trainern oft nicht berücksichtigt. Ein großer Fehler.
Erhöhte Müdigkeit (kumulierte Ermüdung) bedeutet:
Leistung zweier Spieler zum Zeitpunkt X (Modell)
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Spieler A hat zwar eine höhere Fitness (blauer + weißer Balken) als Spieler B. Spieler B hat jedoch eine geringere „Müdigkeit“ (weißer Balken). Zieht man die Müdigkeit von der Fitness des Spielers ab, bekommt man die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Spielers zum Zeitpunkt X.
=> Spieler A hat in diesem Beispiel nicht nur eine geringere Leistungsfähigkeit, sondern auch eine höhere Verletzungswahrscheinlichkeit.
Das Ziel sollte folglich sein, dass die Spieler am Spieltag, aber auch in den meisten Trainings möglichst „frisch“ sind. (geringe bis keine Ermüdung).
Na klar, oder?
Anscheinend doch nicht so klar. Viele Trainer/ Athletiktrainer konzentrieren sich viel stärker auf den Aufbau der Fitness als auf den Abbau der Müdigkeit. Die Folgen daraus sind dann meistens „Verletzungspech“ und/ oder Leistungseinbrüche.
Die Konsequenz daraus:
Fitness aufbauen – JA, aber nicht um jeden Preis. Immer mit Plan und Ziel.
Deswegen ist es von größter Bedeutung, die Trainingsbelastung der Spieler zu messen und zu verstehen.
In diesem Zusammenhang solltest du auch diese beiden Beiträge lesen:
Das Acute: Chronic Workload Ratio – kurz ACWR, oder auf Deutsch „Das Verhältnis zwischen akuter und chronischer Belastung“ ist eine Möglichkeit, die Trainingsbelastung zu überwachen bzw. zu beurteilen.
ACWR ermöglicht es Trainern, eine Momentaufnahme der Trainings- und Match-Load-Historie eines Spielers anzuzeigen, sodass die Wettbewerbsbereitschaft der Athleten gemessen, die Trainingsperiodisierung verbessert und das Verletzungsrisiko abgeschätzt werden kann. (White, 2017)
Die akute Trainingsbelastung eines Spielers spiegelt die „Ermüdung“ des Spielers wider.
In der Regel ist dies die Arbeitsbelastung, die ein Athlet in einer Woche (7 Tagen) ausführt. Dieser Wert enthält sowohl Trainings- als auch Match-Load-Informationen über diesen Zeitraum. (Hulin, 2015)
=>Was hat der Spieler in den letzten 7 Tagen gemacht?
Für die Berechnung können viele verschiedene Parameter herangezogen werden (Internal Load & External Load Parameter sind möglich):
Eine der einfachsten, aber doch wirksamsten Möglichkeiten ist die Erhebung der „Rate of perceived exertion“ – kurz RPE, für die Berechnung der akuten Belastung der Spieler.
Lies dazu auch: Rate of perceived exertion (RPE) – eine einfache und effektive Methode zur Belastungssteuerung im Fußball
Für die Berechnung werden alle Trainings- und Matchbelastungen eines Spielers der letzten 7 Tage berücksichtigt.
Dazu muss zuerst die Trainingsbelastung eines Trainings ermittelt werden (= sRPE).
Beispiel: 8 RPE x 90 Minuten = 720 AU
Anschließend werden alle Gesamtbelastungen addiert (in der traditionellen Methode).
Beispiel:
Dienstag= 480 AU
Mittwoch= 810 AU
Freitag= 240 AU
Samstag (Match)= 900 AU
480+810+240+900= 2.430 AU
Dieser Prozess müsste für jeden Athleten wiederholt werden. Der endgültige Wert für die „akute Arbeitsbelastung“ und die Interpretation der Daten variieren je nach Art des ACWR-Modells (z. B. das Rolling Average-Modell oder das Exponential Weight Moving Average-Modell – mehr dazu ein anders Mal).
Die chronische Arbeitsbelastung gibt die durchschnittliche akute Belastung der letzten 4 Wochen bzw. 28 Tage an. (Hulin, 2015)
=>Also- WAS hat der Spieler in den letzten 28 Tagen gemacht?
Die Höhe der chronischen Belastung wird mit der „Fitness“ des Athleten in Verbindung gebracht. Genau genommen gibt die chronische Trainingsbelastung nicht die Fitness eines Spielers wieder, sondern vielmehr die Toleranz des Athleten gegenüber Belastungen.
=>Also welche Belastung ist der Spieler gewohnt zu absolvieren?
Nehmen wir zum Beispiel an, ein Athlet hatte eine wöchentliche durchschnittliche (akute) Arbeitsbelastung, die aus Folgendem besteht:
In diesem Fall wäre der 4-Wochen-Wert für die chronische Arbeitsbelastung der Durchschnitt dieser vier Trainingsbelastungen (2100+1900+2000+2200/4 = 2050 AU). Dies ist ein einfaches Beispiel für die chronische Arbeitsbelastung von 4 Wochen.
Ähnlich wie bei der akuten Arbeitsbelastung hängt die genaue Berechnung der chronischen Arbeitsbelastung und ihres dynamischen Tageswerts von der Art des ACWR-Modells ab, das verwendet wird (z. B. das Rolling Average Model oder das Exponential Weight Moving Average-Modell).
Das Verhältnis selbst wird berechnet, indem die akute Arbeitsbelastung (Müdigkeit) durch die chronische Arbeitsbelastung (Fitness) geteilt wird.
=> Also im Endeffekt wird beurteilt, an welche Belastungen der Spieler gewöhnt ist und welcher Belastung er in den letzten Tagen ausgesetzt war.
In unserem Beispiel wird die akute Arbeitsbelastung von 2430 AU (von oben) durch die chronische Arbeitsbelastung von 2050 AU (von oben) geteilt, was eine ACWR von 1,18 ergibt (2430/ 2050= 1,18).
Wie bereits erwähnt, liefert der Vergleich der akuten Trainingsbelastung mit der chronischen Trainingsbelastung als Verhältnis einen „Schnappschuss“ der Bereitschaft des Athleten. Wenn die akute Trainingsbelastung gering ist (d.h. der Spieler ist „frisch“) und die chronische Trainingsbelastung hoch ist (d.h. der Athlet hat eine gute "Toleranz" aufgebaut), ist der Athlet in einem gut vorbereiteten Zustand. (White, 2017)
Der Vergleich der akuten Arbeitsbelastung mit der chronischen Arbeitsbelastung als Verhältnis ist daher eine dynamische Darstellung der Bereitschaft eines Spielers.
Studien haben dieses Verhältnis in einer Vielzahl von Sportarten untersucht, vom AFL (Murray, 2016) über Rugby (Hulin, 2015) bis hin zu Fußball (Malone, 2017). Die Mehrzahl dieser Studien hat die gleichen Trends und Zusammenhänge in Bezug auf das ACWR und das nachfolgende Verletzungsrisiko festgestellt.
Beziehung zwischen ACWR und dem Verletzungsrisiko in % (U-Form)
Praktisch bedeutet dies, dass das ACWR jeden Tag für jeden Athleten überwacht werden kann. Das Verhältnis hat eine praktische Bedeutung und kann bei sorgfältiger Planung und Anpassung dazu beitragen, das Verletzungsrisiko zu verringern.
Der ACWR-Wert und seine verschiedenen Bedeutungen sind nachstehend angeführt:
(nach Gabbett, 2016)
Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass diese Werte/ Grenzen - wie Impellizzeri (2019) in einer Studie klarstellt - nicht als fix angenommen werden dürfen. Die Werte sind keine magischen Grenzen. Das bedeutet demnach nicht, dass sich ein Spieler bei einem Wert von 1,0 nicht verletzen kann. Gleichzeitig muss es nicht sein, dass sich ein Spieler bei einem Wert von über 1,5 verletzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Verletzung bei einem Wert über 1,5 kommt, ist allerdings deutlich höher.
Verletzungen können somit nicht vorausgesagt werden. Das Model arbeitet vielmehr mit Wahrscheinlichkeiten.
Außerdem müssen zahlreiche weitere Faktoren für eine adäquate Beurteilung des Verletzungsrisikos mit einbezogen werden (z.B.: Trainingshistorie, Verletzungshistorie, Leistungsniveau, Alter etc.).
Die Überwachung der Trainings- und Matchbelastung ist unerlässlich, um die Leistung der Spieler zu verbessern und Verletzungen vorzubeugen. Ein effektives Überwachungsprotokoll kann wichtige Rückmeldungen geben, um die Planung und Periodisierung des Trainings zu unterstützen, die körperliche Verfassung zu optimieren und Verletzungen zu vermeiden.
Ein überaus wichtiges Tool in diesem Zusammenhang ist der ACWR-Wert. Das ACWR setzt die „Müdigkeit“ eines Spielers (Was hat der Spieler in den letzten 7 Tagen gemacht?) mit der „Fitness“ des Spielers (Was ist der Spieler gewohnt für eine Belastung zu tolerieren? =>Belastung der letzten 28 Tage) ins Verhältnis.
Der daraus resultierende Wert gibt dem Trainer einen schnellen Überblick über die Trainingsbereitschaft des Spielers.
Anhand dieser Information kann der Trainer entsprechende Anpassungen in der Belastung vornehmen und somit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich die Spieler optimal entwickeln können, ohne dass die Verletzungswahrscheinlichkeit dabei erhöht wird.
Wichtig ist jedoch, dass dieser Wert nicht als Wundermittel verstanden werden darf, mit dem alle Verletzungen vorausgesagt oder im Nachhinein erklärt werden können.
Leider gibt es so eine Kennzahl (noch) nicht. Vielmehr müssen viele Faktoren mit einbezogen werden, um eine angemessene Belastungssteuerung vornehmen zu können.
Mit der Erhebung der RPE und den anschließenden Berechnungen (sRPE, ACWR, Montonie, Strain etc.) können nicht nur Profimannschaften, sondern auch Amateurvereine viele wichtige Belastungsparameter erheben und analysieren. Die Trainingssteuerung kann dadurch deutlich verbessert werden (=> fittere Spieler und weniger Verletzungen= mehr Erfolg).
Um die Arbeit des Trainers zu erleichtern, gibt es außerdem für die Erhebung der RPE und für die anschließenden Berechnungen preiswerte Softwareprogramme, die vollautomatisch die Daten erheben und auswerten. Der Trainer bekommt schlussendlich die wichtigsten Ergebnisse vom System zu Verfügung gestellt. Ein echter Mehrwert.
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Banister, E., Calvert, T., Savage, M., (1975). Ein Systemmodell des Trainings für sportliche Leistung. Aust J Sports Med , 7, S. 57-61. https://www.researchgate.net/publication/224112604_A_Systems_Model_of_the_Effects_of_Training_on
Bengtsson, H., Ekstrand, J. und Hägglund, M., (2013). Die Muskelverletzungsraten im Profifußball steigen mit der Überlastung der Spiele: eine 11-jährige Nachuntersuchung der Verletzungsstudie der UEFA Champions League. British Journal of Sports Medicine , 47 (12), S. 743-747. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23851296
Bourdon, P., Cardinale, M., Murray, A., Gastin, P., Kellmann, M., Varley, M., Gabbett, T., Coutts, A., Burgess, D., Gregson, W. und Cable, N., (2017). Überwachung der Trainingsbelastung von Athleten: Konsenserklärung. Internationales Journal für Sportphysiologie und -leistung, 12, S. S2-161-S2-170. http://journals.humankinetics.com/doi/abs/10.1123/IJSPP.2017-0208
Gabbett, T., 2016. Das Paradoxon Training - Prävention von Verletzungen: Sollten Sportler intelligenter und härter trainieren? British Journal of Sports Medicine , 50 (5), S. 273–280. http://bjsm.bmj.com/content/early/2016/01/12/bjsports-2015-095788?__hstc=196135283.0bb2ae1552d2dda845881b6516c33848.1481673600081.1481673600082.1481673600083.1
Eirale, C., Tol, J., Farooq, A., Smiley, F. und Chalabi, H., (2012). Eine niedrige Verletzungsrate korreliert stark mit dem Teamerfolg im katarischen Profifußball. British Journal of Sports Medicine , 47 (12), S. 807-808. http://bjsm.bmj.com/content/47/12/807.short
Hulin, B., Gabbett, T., Lawson, D., Caputi, P. und Sampson, J., (2015). Das Verhältnis von akuter zu chronischer Arbeitsbelastung sagt Verletzungen voraus: Eine hohe chronische Arbeitsbelastung kann das Verletzungsrisiko bei Elite-Rugby-Spielern verringern. British Journal of Sports Medicine , 50 (4), S. 231-236. http://bjsm.bmj.com/content/early/2015/10/28/bjsports-2015-094817.short
Impellizzeri, F., Woodcock, S., Mccal, A., Ward, P. (2019). The acute-chronic workload ratio-injury figure and its ‘sweet spot’ are flawed. British Journal of Medicine. DOI: 10.31236/osf.io/gs8yu
Malone, S., Owen, A., Newton, M., Mendes, B., Collins, K. und Gabbett, T., (2017). Das Verhältnis von akuter zu chronischer Arbeitsbelastung in Bezug auf das Verletzungsrisiko im Profifußball. Journal of Science and Medicine in Sport , 20 (6), S. 561-565. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1440244016302304
Murray, N., Gabbett, T., Townshend, A., Hulin, B. und McLellan, C., (2016). Individuelle und kombinierte Auswirkungen akuter und chronischer Lauflasten auf das Verletzungsrisiko bei australischen Elite-Fußballern. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 27 (9), S. 990-998. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/sms.12719/full
Soligard, T., Schwellnus, M., Alonso, J., Bahr, R., Clarsen, B., Dijkstra, H., Gabbett, T., Gleeson, M., Hägglund, M., Hutchinson, M., Janse van Rensburg, C., Khan, K., Meeusen, R., Orchard, J., Pluim, B., Raftery, M., Budgett, R. und Engebretsen, L., (2016). Wie viel ist zu viel? (Teil 1) Konsenserklärung des Internationalen Olympischen Komitees zur Belastung des Sports und zum Verletzungsrisiko. British Journal of Sports Medicine , 50 (17), S. 1030–1041. http://bjsm.bmj.com/content/50/17/1030
White, R. (2017). AKUT: CHRONISCHES ARBEITSLASTVERHÄLTNIS. Erfahren Sie, wie Sie die Trainingsbelastung mit dem Verhältnis von akuter zu chronischer Belastung überwachen. https://www.scienceforsport.com/acutechronic-workload-ratio/#toggle-id-1