Das athletische Anforderungsprofil eines Fußballspielers und dessen Veränderung in den letzten Jahren

von Jürgen Pranger


Gepostet am 5.11.2020


Möchtest du ein passendes Training für deine Mannschaft planen, dann ist es von großer Wichtigkeit das Anforderungsprofil eines Fußballspielers zu kennen.


Ein Fußballspieler muss zahlreiche Fähigkeiten besitzen, um erfolgreich Fußball spielen zu können. Die Individual- und Teamleistungsfähigkeit im Fußball hängt neben technischen, taktischen und mentalen Einflussgrößen vor allem von konditionellen Faktoren ab (Stolen et al., 2005). Möchtest du deine Spieler für die heutigen fußballspezifischen Anforderung fit machen, musst du auch auf den heutigen Stand der Wissenschaft trainieren. Trainierst du so wie vor 10 Jahren, dann wirst du auch Spieler wie vor 10 Jahren haben.

Der Fußball wird ständig schneller und intensiver und somit athletischer. Eine laufende Anpassung der Trainingsmethoden ist demzufolge unumgänglich.


Die Wettkampfanforderungen eines Fußballspielers

Die Prägung der Wettkampfaktionen ist sehr variabel. Beschleunigen, Abbremsen, Richtungswechsel, Gehen, Laufen in verschiedenen Intensitäten, Sprinten, Springen, Dribbeln, Tackeln sowie Schüsse sind nur einige Bestandteile der Aktionen von Fußballspielern. Stolen et al., (2005) ermittelte durchschnittlich 1431 unterschiedliche Aktionen mit und ohne Ball während eines 90-minütigen Fußballspiels, d. h. die Spieler wechseln alle 3,8 Sekunden die Aktion. Davon werden im Hochleistungsfußball 900-1000 Aktionen mit Ball pro Spiel durchgeführt. (Düring, 2011, S. 4) Das zeigt den intermittierenden Charakter der Sportart Fußball.

Dementsprechend sollte auch trainiert werden. Intervalle spiegeln dabei die Belastungen eines Fußballspiels besser wider als konstante Dauerläufe.

Die Gesamtlaufleistung in einem Spiel beträgt laut einiger Studien, abhängig von der Spielerposition, zwischen 8-12 Kilometer (Bangsbo, 1991; Stolen et a., 2005). Dabei laufen Amateure und Profispieler annähernd gleich viel. Unterschiede ergeben sich allerdings in den verschiedenen Anteilen einzelner Geschwindigkeitsbereiche. Die Gesamtlaufleistung kann in Folge nicht als physisches Unterscheidungsmerkmal zwischen Profi- und Amateurspielern herangezogen werden. (Düring, 2011, S. 5)

Die Gesamtlaufstrecke unterscheidet sich also nicht wesentlich zwischen einzelnen Leistungsklassen. Die Gesamtlaufleistung hat sich in den letzten 20 Jahren auch nicht entscheidend geändert. Geändert hat sich jedoch der Anteil der Distanz der mit hoher Geschwindigkeit zurückgelegt wird (über 15 km/h). In den 80er-Jahren wurden lediglich 12% der Laufdistanz mit über 15 km/h zurückgelegt, heute werden hingegen 24-28% der Distanz mit hoher Geschwindigkeit absolviert. (Düring, 2011, S. 5) Das bedeutet die Belastung ist um einiges intensiver geworden.

Einen wesentlichen Einflussfaktor auf die zurückgelegte Gesamtstrecke und die Laufdistanzen in bestimmten Geschwindigkeitszonen stellt naturgemäß die Ausdauerleistungsfähigkeit der Spieler dar (Hegerud et al. 2001). Die aerob-anaerobe Ausdauerleistungsfähigkeit, wie zum Beispiel die maximal erreichte Geschwindigkeit in einem Ausdauerstufentest, zeigt eine hohe Korrelation zu der gesamten mittleren Laufdistanz und zu jener in den einzelnen Geschwindigkeitsbereichen (Rampinini et al. 2007). (Düring, 2011, S. 7)

Besonders relevant sind die Durchschnittsgeschwindigkeiten bei einem 6x20m-Linearsprint sowie die erbrachte Leistung bei einem Shuttle run Test bzw. Yo-Yo-Intermittend-Recovery Test (Mohr et al., 2003), da ein hoher Ausprägungsgrad dieser Kennwerte die zurückgelegten Laufstrecken in einem Spiel positiv beeinflusst. (Düring, 2011, S. 7)

Die größten gelaufenen Distanzen im Spiel werden bei den zentralen Mittelfeldspielern, welche als Bindeglied zwischen Sturm und Abwehr fungieren, beobachtet (Bangsbo, 2014). Verteidiger und Stürmer laufen ca. 10-10,5 km pro Spiel und damit signifikant weniger als die Mittelfeldspieler mit 11-11,5 km.



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Die zurückgelegte Distanz mit hoher Geschwindigkeit – ein Erfolgsfaktor?

Die zurückgelegte Distanz mit hoher Geschwindigkeit in einem Spiel scheint ein aussagekräftiger Leistungsfaktor im Fußball zu sein. Analysesysteme habe gezeigt, dass internationale Topklasse-Spieler 28% mehr hochintensive Läufe (2,43 km vs. 1,90 km) und 58% mehr Sprints (650 m vs 410 m), als professionelle Spieler auf einem niedrigeren Niveau machen. (Mohr et al., 2003)

Außerdem fand Ingebrigsten et al. (2012) heraus, dass Top-Teams um 30-40% mehr intensive Läufe absolvieren als Teams im mittleren oder hinteren Feld.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Fähigkeit wiederholende hochintensive Belastungen auszuführen für Fußballspieler entscheidend ist.


Sprints

Im Spiel wechseln die Situationen und somit die Aktionen ständig. Fußballer müssen das Spiel effektiv und schnell lesen, situationsadäquat reagieren und sich anpassen können. Dazu gehören neben den technisch-taktischen Fähigkeiten auch die Schnelligkeitsfähigkeiten. Sprints spielen bei einer Laufdistanz von 0,5 bis 11% der Gesamtspiellaufdistanz eine scheinbar untergeordnete Rolle. Im Sinne des erfolgreichen Handelns im Spiel werden Sprints und Sprungkraftaktionen aber als sehr wichtig betrachtet, da sie wesentlich zur Ballgewinnung und Ballverteidigung sowie zur Torerzielung und Torvermeidung beitragen (Düring, 2011, S. 12).

Nur wenige Sprints sind über 30m lang. Die meisten Sprints haben eine Dauer von unter 2 Sekunden, bei einer mittleren Sprintlänge von nur 5,9 m. Dabei führen die Spieler alle 90 Sekunden einen Vollsprint durch. Trotz des geringen Anteils an der Gesamtspielzeit sind die Sprints doch meistens spielentscheidend. (Düring, 2011, S. 12)

Aus dieser Verteilung der Sprintdistanzen kann abgeleitet werden, dass das Sprintantrittsverhalten eine wichtige Ausprägung der Sprintleistungsfähigkeit im Fußball ist. Neuere Befunde weisen darauf hin, dass die 10-m Sprintzeiten höher klassigere von nieder klassigeren Spielern besser trennen als die 30-m-Sprintzeiten. Demnach hat der Sprintantritt eine höhere Bedeutung innerhalb des Sprintverhaltens als der Sprint über längere Laufdistanzen. (Düring, 2011, S. 13).

Das Sprintlaufverhalten im Fußball unterscheidet sich außerdem vom Sprintverhalten eines Leichtathleten. Die Spieler laufen nicht immer gerade aus. Vielmehr müssen bei hohen Geschwindigkeiten häufig Richtungswechsel durchgeführt werden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem leichtathletischen Laufstil und dem Laufstil eines Fußballers liegt in der unterschiedlichen Körperposition. Charakteristisch für das Bewegungs- und Sprintverhalten von Athleten aus Teamsportarten sind vor allem der relativ niedrigere Körperschwerpunkt und der geringere Kniehub. (Düring, 2011, S. 13)

Demzufolge ist ein isoliertes Training der Lauftechnik, im Stile eines klassischen Leichtatletiktrainings (Lauftechniktraining etc.), im Fußball zu überdenken.

Eine extrem wichtige Fähigkeit, die im Zusammenhang mit dem Schnelligkeitstraining im Fußball aber oftmals vergessen wird, ist die Handlungsschnelligkeit. Ist der Spieler in der Lage eine Situation schneller als sein Gegenspieler zu erkennen und er reagiert auch dementsprechend schneller, ist dieser Spieler auf kurze Distanzen meistens um einiges schneller als ein Spieler mit einer geringeren Handlungsschnelligkeit.

Abgeleitet bedeutet das für das Training, dass Schnelligkeit auch meistens im Kontext des Spiels trainiert werden soll. Einfach auf ein akustisches Signal, wie es oftmals im Fußballtraining praktiziert wird, loslaufen ist nicht spielnahe und lässt den wichtigsten Faktor – die Handlungsschnelligkeit – außen vor.


„Ein Musterbeispiel für einen langsamen Spieler in Deco. Wenn man ihn in ein 100m Sprintduell mit einem anderen Athleten geben würde, würde er sich lächerlich machen. Auf dem Feld ist er hingegen einer der schnellsten Spieler die ich kenne, weil pure Geschwindigkeit nichts mit fußballspezifischen Geschwindigkeit zu tun hat. Bei der Geschwindigkeit im Fußball geht es darum, die Situation zu analysieren, auf Reize zu reagieren und sie zu identifizieren. Deswegen ist für mich das Arbeiten an isolierten Fähigkeit, ohne einen Bezug zur Komplexität des Spiels herzustellen, ein großer Fehler.“ -Jose Mourinho



Sprünge

Sprünge gehören zu den typischen Schnellkraftaktionen im Fußball. In ein- und beidbeiniger Ausführung haben sie eine wichtige Bedeutung. Zusätzlich ist die Sprungkraft ein wichtiger Indikator der generellen Schnellkraftfähigkeit der Beinstreckerschlinge. Die Beinstreckerschlinge kann als wichtigste leistungsverursachende Muskelkette des Fußballspielers betrachtet werden. (Düring, 2011, S. 13)


Überblick über das Anforderungsprofil und dessen Veränderung der letzten Jahre für Fußballer (Barnes, 2014; Wallace et al., 2013):

  • Die Gesamtlaufdistanz ist nur unwesentlich angestiegen
    • 10.881 m pro Spiel (2007 waren es 10.679 m)
  • Die hochintensive Laufdistanz (über 19,8 km/h) ist stark angestiegen
    • 1.151 m pro Spiel (2007 waren es noch 890 m)
  • Auch die Anzahl der Sprints in einem Spiel ist stark gestiegen
    • 57 Sprints pro Spiel (2007 waren es nur 31)
  • Die durchschnittliche Sprintdistanz ist sogar leicht zurückgegangen
    • 5,9 m pro Sprint (2007 waren es 6,9 m pro Sprint)
  • Der durchschnittliche Spielzug ist von 29 Sekunden auf 25 Sekunden kurzer geworden
  • Die Spielpausen sind von 7 Sekunden auf 17 Sekunden im Durchschnitt länger geworden
  • Die Spielgeschwindigkeit hat sich von 8 m/s auf 9,2 m/s gesteigert
  • Die Pässe pro Minute sind von 11,3 auf 15,3 gestiegen
  • Die Spielerdichte hat sich aufgrund des ballorientierten Verschiebens in ballnähe deutlich erhöht
  • Die Entscheidungsgeschwindigkeit der Spieler hat sich deutlich erhöht


Das Worst-Case-Szenario

Die Spieler legen in einem Spiel also im Durchschnitt 110-120 Meter pro Minute zurück. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die durchschnittlichen Meter pro Minute nur einen „Schnappschuss“ der Intensität des Wettbewerbs liefert. Es gibt uns die durchschnittliche Intensität über den Verlauf der Trainingseinheit oder des Spiels. (Carling, 2012)

Während eines Fußballspiels beträgt das Verhältnis von Belastung zu Erholung etwa 1:10. Dies bedeutet, dass die Spieler im Durchschnitt eine 4 Sekunden andauernde intensive Aktivität (dh. „Belastung“), gefolgt von einer 40 Sekunden andauernden weniger intensiven Aktivität (dh Stehen, Gehen oder Joggen) haben, die als Ruhepause eingestuft werden kann. (Carling, 2012)

Diese Durchschnittswerte müssen von den intensiven Phasen des Spiels, dem sogenannten Worts-Case-Szenario, unterschieden werden. Es gibt Spielphasen, und das sind meist die entscheidenden Phasen in einem Spiel, in denen die Athleten eine viel größere Belastung tolerieren müssen. Nicht immer haben sie 40 Sekunden Zeit sich nach einer 4 Sekunden andauernde Belastung zu regenerieren. Manchmal kommt es vor, dass mehrere Belastungen direkt hintereinander absolviert werden müssen.

Das Verhältnis von Belastung zu Erholung kann dadurch kurzfristig auf 1:3 oder sogar auf 1:2 sinken. Dementsprechend mehr Meter pro Minute werden in dieser Phase auch zurückgelegt. Die Spieler müssen im Training unbedingt auf solche Phasen vorbereitet werden. Ansonsten könnte es sein, dass sie die Belastung körperlich nicht standhalten und dadurch nicht nur die Leistung leidet, sondern auch die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung signifikant steigt. (Johnston, 2011)


Fazit

Jeder Trainer sollte die Belastungsanforderung seiner Spieler kennen. Nur durch die Kenntnis der Anforderungen kann auch ein passendes Training geplant werden. Alle leistungsrelavanten Paramter sollten dabei berücksichtigt werden. Durch den planmäßigen Aufbau des Trainings und durch die Kontrolle der Belastung der Spieler kann das Training erheblich verbessert werden.

  • Die Gesamtlaufleistung ist nicht wirklich aussagekräftig
  • Der Fußball wird schneller und intensiver (mehr hochintensive Belastungen)
  • Die Belastung ist intervallartig und nicht gleichbleibend
  • Der Antritt ist wichtiger als die Maximalgeschwindigkeit
  • Die Handlungsschnelligkeit ist einer der wichtigsten Faktoren schneller Spieler (=>auch die Schnelligkeit spielnahe trainieren)
  • Die Beinstreckerschlinge kann als wichtigste leistungsverursachende Muskelkette des Fußballspielers betrachtet werden
  • Durchschnittliches Training führt zu durchschnittlichen Spielern. Trainiere deswegen nicht nur für die durchschnittlichen Anforderungen im Spiel, sondern für das Worst-Case Szenario




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Quellen:

Bangsbo J. (1991). Körperliche und metabolische Anforderungen an Training und Matchplay beim Elite-Fußballspieler.J Sports Sci. 24 (7): 665-74

Barnes C., Archer T., Hogg R., Bush M. (2014). Die Entwicklung der physischen und technischen Leistungsparameter in der englischen Premier League. International Journal of Sports Medicine 35 (13

Bangsbo J. (2014). PHYSIOLOGICAL DEMANDS OF FOOTBALL. Sports Science Exchange (2014) Vol. 27, No. 125, 1-6

Carling D, Le Gall F., Dupont G. (2012). Analysis of repeated higt-intensity running performance in professional soccer.J Sports Sci.; 30(4):325-36

Düring M. (2011). Profifußball: Wettkampfleistungsstruktur und konditionelle Leistungsvoraussetzungen. Akademische Verlagsgemeinschaft, München.

Ingebrigtsen J., M. Bendiksen M.B. Randers C. Castagna P. Krustrup und A.Holtermann (2012). Yo-Yo IR2 testing of elite and sub-elite soccer players:
performance, heart rate response and correlations to other interval tests. J.Sports Sci. 30(13):1337-1345.

Johnston R., Gabett T. (2011). Repeated-sprint and effort ability in rugby league players. Journal of Strengh and Conditioning Research 25(10): 2789-2795

Mohr M., Krustrup P., Bangsbo J. (2003). Spielleistung von Fußballspielern mit hohem Standard unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Müdigkeit. Journal of Sports Sciences 21 (7): 519 & ndash; 28

Rampinini E., Bishop D., Marcora S., Bravo D. (2007). Gültigkeit einfacher Feldtests als Indikatoren für die spielbezogene körperliche Leistung bei professionellen Fußballspielern der Spitzenklasse. International Journal of Sports Medicine 28 (3): 228-35

Stolen T., Chamari K., Castagna C., Wisloff U. (2005). Physiologie des Fußballs. Sports Medicine 35 (6): 501 & ndash; 36

Wallace J., Norton K. (2013). Entwicklung der Fußball-Fußball-Endspiele 1966-2010: Spielstruktur, Geschwindigkeit und Spielmuster. J Sci Med Sport. 2014 Mar; 17 (2): 223–8