Die dunkle Seite österreichischer FußballtrainerInnen

von Gastautor


Gepostet am 28.1.2022


Großartige Anführer verfügen über unübliche und wesentliche Charaktereigenschaften. „Unüblich“ - Könnten in gewissen Sphären somit negativ behaftete Wesenszüge sogar von Vorteil sein?



“There are plenty of attributes that separate the great leader from the good manager. Both may put their work before family and friends, survive on little sleep, endure a lifetime of red-eye flights. Look more closely and you will find that the great leader possesses an unusual, and essential, characteristic” (Ferguson & Moritz, 2015)


Übersetzt man einige Zeilen des erfolgreichsten Trainers in der Historie des englischen Fußballvereins Manchester United in die deutsche Sprache, so verfügen großartige Anführer über unübliche und wesentliche Charaktereigenschaften. „Unüblich“ - Könnten in gewissen Sphären somit negativ behaftete Wesenszüge sogar von Vorteil sein?

DARK TRIAD – Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie


Der Begriff der Dark Triad (Dunkle Triade) findet ihren Ursprung 2002 in den Studien von Paulhus und Williams, welche erstmals die subklinischen Persönlichkeitsmerkmale Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie an einer breiten, unbescholtenen Masse von Bürger- und StudentInnen testeten. Sie beschrieben diese grundsätzlich konträren Eigenschaften als stark einhergehend. In diesem Zusammenhang schuf Moshagen, Hilbig, and Zettler (2018) den Begriff des „Dunklen Kerns der Persönlichkeit“.

Abbildung 1: Dunkler Kern der Dark Triad Konstrukte (Miller, Vize, Crowe, & Lynam, 2019)



Der Forschungsbereich der dunklen Triade fand anfangs vor allem im Bereich der Wirtschaft, speziell im Sektor der Personalauswahl und Führungsebenen Einkehr. Menschen in Führungspositionen werden hier erhöhte Ausprägungen attestiert. Ebenso wurden nahezu durchgängige Ergebnisse hinsichtlich dem Ausprägungsgrad der Dark Triad, dem Geschlecht und dem Alter festgestellt. Jüngere, männliche Probanden wiesen hier einen signifikant erhöhten Wert dieser dunklen Persönlichkeitseigenschaften aus.

NARZISSMUS

Der Begriff „Narzissmus“ findet seinen Ursprung in der griechischen Mythologie in der Person des Narziss, welcher von allen Seiten begehrt wurde, seine Verehrer und Verehrerinnen jedoch stets herzlos zurückwies und sich am Ende in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Viele Geschichten über das wirkliche Ableben des Jünglings kursieren, ebenso uneinheitlich gestalten sich die Definitionen des Narzissmus (Maderbacher, Methlagl, & Michlmayr, 2021; Pincus & Lukowitsky, 2009). Rauthmann (2016) versuchte in diesem Kontext eine Abgrenzung zu finden (Siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Übergang Selbstwert zu Narzissmus (Rauthmann, 2016)



MACHIAVELLISMUS

„Nicht die rücksichtslose Gewalt gehört zu den besten Mitteln, seine Herrschaft zu bewahren, sondern die Hochachtung seitens der Bürger, freilich mit dem dann doch machiavellistischen Zusatz: auch wenn die Hochachtung nur durch Heuchelei erworben, also mehr Schein als Sein ist.“ (Machiavelli & Höffe, 2012).


Niccolò di Bernardo dei Machiavelli schuf sich im mit seinem moralisch-politisch skrupellosen Vorgehen ein zeitloses Denkmal. Die Persönlichkeitseigenschaft des Machiavellismus steht nach wie vor für „Der Zweck heiligt die Mittel“. Definiert man dies näher, so liegt hier ein manipulatives, betrügerisches und eigennütziges Verhalten vor (Christie & Geis, 1970; Kersting, 2006)


Abbildung 3: Übergang Zielverfolgung zu Machiavellismus (Rauthmann, 2016)


PSYCHOPATHIE


Psychopathie wird als der „toxischste“ Typ der Dark Triad Persönlichkeitsmerkmale angesehen, trotzdem ist ihre Rolle in der Führung von Menschen jene, welche am wenigsten erforscht ist (Mathieu, Neumann, Hare, & Babiak, 2014).

Hingegen der landläufigen Meinungen sind subklinische PsychopathInnen nicht identifizierbar verrückt oder leiden an Wahnvorstellungen, jedoch sind sie kann man ihnen eine gewisse Rücksichtslosigkeit hinsichtlich ihrer eigenen Karriere attestieren. Ein charmantes, ordentliches Auftreten gehört ebenso zu ihrem Erscheinungsbild, wie die Fähigkeit andere zum eigenen Vorteil zu manipulieren, um die hierarchische Leiter immer weiter empor zu klettern, bis sie ihr Ziel erreicht haben (Boddy, 2005)


DARK TRIAD und SPORT


Sind die Dark Triad Eigenschaften im grundsätzlichen Denken negativ behaftet, so zeigt der derzeitige Forschungsstand, dass signifikante Unterschiede zwischen dem Leistungsniveau, der Art des Sports bzw. unter den Geschlechtern bestehen und Machiavellismus, Narzissmus bzw. Psychopathie in einem gewissen Rahmen hilfreich für eine leistungssportliche Karriere sein können. Nichtsdestotrotz zeigt sich die sportliche Studienlage im Vergleich zu jener der Wirtschaft überschaubar. (Maderbacher et al., 2021)

Vaughan, Madigan, Carter, and Nicholls (2019) fanden in ihren Untersuchungen signifikant höhere Dark Triad Ausprägungen bei ProfisportlerInnen im Gegensatz zu jenen des Amateurbereichs. Dieses Ergebnis wird von González-Hernández, Cuevas-Campos, Tovar-Gálvez, and Melguizo-Rodríguez (2020) gestützt, welche ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der dunklen Triade und Wetteifer fanden. Sabouri et al. (2016) konnte ebenfalls den signifikanten Link zwischen den dunklen Ausprägungen und dem Konstrukt „Mentaler Stärke“ beschreiben.


DIE STUDIE – Erhebung der Dark Triad im österreichischen FußballtrainerInnenwesen

Österreichweit nahmen 269 TrainerInnen an dieser Querschnittstudie teil. Erhoben wurden die Ausprägungen der Dark Triad (Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie) mit dem Short Dark Triad (SD3) nach Malesza, Ostaszewski, Büchner, and Kaczmarek (2017), welcher über nachweislich akzeptable Reliabilitäten verfügt.

Da es sich hierbei um die erste Studie dieser Art handelt, welcher die Kohorte „Österreichische FußballtrainerInnen“ untersucht, wurden die ProbandInnen in folgende Bereiche unterteilt.

  • Hauptaufgabengebiet Männerfußball
  • Hauptaufgabengebiet Frauenfußball
  • Hauptaufgabengebiet Nachwuchsfußball
  • Geschlecht

Abbildung 4: Tätigkeitsbereiche der TeilnehmerInnen


ERGEBNISSE


Wie in Abbildung 5 zu sehen, war keine Frau im Bereich des Männerfußballs tätig. Blickt man hier auf die internationale Bildfläche, spiegelt dies die Verteilung wider, Ausnahmen bestätigen die Regel. Grundsätzlich ist die überwiegende Mehrheit der im Fußball tätigen Coaches männlich, wobei sich Frauen vor allem im Bereich des Frauenfußballs aber auch in jenen der jungen Altersklassen des Nachwuchsfußballs bewegen.

Abbildung 5: Aufteilung der Tätigkeitsbereiche der TeilnehmerInnen nach Geschlecht



Der/Die durchschnittliche österreichische FußballtrainerIn weist, je nach Tätigkeitsbereich, folgendes

Alter auf:

  • Männerfußball 41,13 Jahre (SD=10.73)
  • Frauenfußball 33,27 Jahre (SD=4,13)
  • Nachwuchsfußball 37,07 Jahre (SD=11,31)

Abbildung 6: Mittelwerte und Standardabweichungen des Alters der TeilnehmerInnen nach Tätigkeitsbereichen und Geschlecht



Ebenfalls wurden alle Befragten gebeten, eine Aussage über ihren zeitlichen Aufwand pro Woche zu machen. Hierbei konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Bereichen Männer- und Nachwuchsfußball beschrieben werden. Zusammenfassend berichten Trainer im Männerfußball über einen ca. 7 Stunden höheren Aufwand als jene im Frauen- bzw. Nachwuchsfußballs.

Abbildung 7: Mittelwerte und Standardabweichungen des Aufwands in Stunden pro Woche der TeilnehmerIinnen


DIE ERGEBNISSE


Hinsichtlich der Dark Triad Ausprägungen konnte kein Unterschied zwischen den Bereichen beschrieben werden. Ein jeweiliges Wirken im Tätigkeitsbereich scheint somit kein Indikator für eine erhöhte Ausprägung zu sein. Erwähnenswert ist hier der signifikant erhöhte Wert der weiblichen Probandinnen, welches im Kontrast zur Studienlage steht. Dieser Fakt könnte dem um 10 Jahre niedrigerem Alter der Frauen geschuldet sein, da, wie bereits erwähnt, jüngere Individuen über eine scheinbar höher Dark Triad Ausprägung verfügen.

Tabelle 1: DT-Einzelausprägungen nach Tätigkeitsbereich und Geschlecht



Im Bereich der Korrelation schlägt diese Arbeit in eine ähnliche Kerbe wie die aktuelle Studienlage. Die einzelnen Ausprägungen korrelieren hochsignifikant miteinander. Somit geht z.B. eine erhöhte Ausprägung des Narzissmus mit erhöhten Machiavellismus-, Psychopathie- und damit auch Gesamtausprägungen einher. Wie anfangs beschrieben, bestätigt sich der „Gemeinsame, dunkle Kern“ dieser Persönlichkeitsmerkmale.

Tabelle 2: Korrelation DT-Ausprägungen



Des Weiteren wurden durchgängig signifikant negative Zusammenhänge der Dark Triad Ausprägungen und des Alters beobachtet. Auch hier bestätigt sich die Studienlage, je jünger ProbandInnen waren, desto höher waren ihre DT-Werte.

Interessanterweise konnte auch ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen dem Aufwand in Stunden pro Woche und Machiavellismus offengelegt werden. Je höher Machiavellismus ausgeprägt war, desto weniger investierten TrainerInnen pro Woche in ihre Tätigkeit. Um dieses Ergebnis zu erklären bzw. zu diskutieren, muss man etwas tiefer in diese Ausprägung tauchen.

Hierbei können die Beschreibungen von Pilch (2008) genannt werden, welche MachiavellistInnen eine Zielfokussierung und genaue Analyse ihrer Umgebung attestiert. Somit könnten sie durch geschicktes Nutzen ihrer Ressourcen, in diesem Fall der Delegierung von Aufgaben an AssistenztrainerInnen und anderen vereinsinternen Personen, ihre Zeit optimal ökonomisieren und dadurch einen geringeren Zeitaufwand beschreiben. Diese Fähigkeit der optimalen Ausnutzung der vorhandenen Mittel scheint prädestiniert für die Pläne des/der MachiavellistIn, die Karriereleiter schnellstmöglich emporzusteigen. Zusammenfassend somit eine Charaktereigenschaft, welche man professionellen TrainerInnen zuschreibt.

Tabelle 3: Korrelation DT- Ausprägungen mit Alter und Aufwand Std/Woche



FAZIT


Die Frage, ob man als erfolgreicher Coach über ein Spektrum dunkler Persönlichkeitseigenschaften verfügen muss, lässt sich in dieser Studie nicht klar beantworten, tendenziell jedoch mit einem „Nein“ diskutieren. Blickt man auf die Seite der SpielerInnen, so scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Nichtsdestotrotz kann die zum größten Teil einheitliche literarische Meinung der Theorie zu Führungspositionen und ihrer erhöhten Ausprägungen nicht bestätigt werden. TrainerInnen im Bereich Männer-, Frauen und Nachwuchsfußball unterscheiden sich weder in den einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen des Narzissmus, Machiavellismus und der Psychopathie noch folglich in der Gesamtausprägung der Dark Triad. Somit muss der/die FußballtrainerIn als Führungsposition im Zusammenhang mit den dunklen Persönlichkeitsmerkmalen different zu beruflicher Führung in der Wirtschaft angesehen werden, welche in diversen Arbeiten mit erhöhten Werten abschnitten.

AUSBLICK

Da es sich in dieser Arbeit (Maderbacher, Methlagl, Michlmayr, 2021) um die erste spezifische Persönlichkeitsanalyse der Kohorte „FußballtrainerInnen“ im österreichischen Fußball handelt und hierbei nur ein anfängliches Wissen generiert wurde, sind für vertiefende Einblicke weitere Studien notwendig. Konkret könnte in zukünftigen Arbeiten die Beziehung zwischen der Athletic Identity und den Dark Triad Ausprägungen der TrainerInnen erforscht werden, um jene Individuen herauszufiltern, die sich in einem erhöhten Maße mit dem Sport identifizieren und dadurch womöglich über erhöhte dunkle Persönlichkeitseigenschaften verfügen. Dies könnte einerseits über die verschiedenen Leistungsklassen und der damit verbundenen Professionalität des Umfelds, als auch mit einer eigenen vergangenen Spielerkarriere der ÜbungsleiterInnen in Verbindung gesetzt werden, um mögliche Prädiktoren für erhöhte Dark Triad Ausprägungen im sportlichen Führungssetting zu ermitteln bzw. auszuschließen.

Ob und wie viele TrainerInnen mit erhöhten narzisstischen, machiavellistischen bzw. psychopathischen Ausprägungen trainieren, kann, unter erheblichen Studienaufwand, in Zukunft abgeschätzt werden. Sowohl in den Bereichen des professionelleren Erwachsenen- bzw. Frauenfußball könnten erhöhte dunkle Persönlichkeitsmerkmale als „part of the game“ diskutiert werden. Gehen die Gedanken jedoch Richtung Nachwuchsfußball, so könnte ein kurzes Screening der potenziellen KandidatInnen für den ein oder anderen Verein durchaus Sinn machen. Einerseits zur Abschätzung etwaiger Risiken für den Verein, andererseits, und das sollte der Hauptgedanke sein, zum Schutz der psychischen Gesundheit unserer Fußballer der Zukunft.




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Über den Autor BEd Anton Maderbacher, MSc:

UEFA A-Licence

Master of Science

Strength And Conditioning Coach bei Grazer Athletiksport Klub

Soccer Coach

Teacher