von Gastautor
Gepostet am 5.3.2021
Zahlreiche Beschreibungen des Intervalltrainings sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse über alternierende Belastungsmethode machen seit jeher vor allem vor dem Fußball nicht Halt. Immer größerer Beliebtheit erfreut sich hier im Speziellen das hochintensive Intervalltraining (kurz: HIIT).
Im Groben handelt es sich hierbei um Trainingsformen, bei denen intensive Belastungen von weniger intensiven Perioden oder passiven Pausen unterbrochen werden. Über die Dauer einer Einheit akkumuliert sich dadurch der Umfang an hochintensiver Belastung, der in Form eines Dauermethodentrainings nicht oder nur sehr schwierig umzusetzen wäre.
Im Fußball teilt sich die Belastungsbeanspruchung wie folgt auf:
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Bei näherer Betrachtung der physischen Belastungskomponenten lässt sich Fußball als schnellkräftiger und schnelligkeitsorientierter Sport, mit einem hohen Maß an aerob/anaeroben Ausdaueranforderungen zusammenfassen. Entscheidend ist hier zu erwähnen, dass die Leistungsfähigkeit von FußballerInnen darüber definiert wird, ob sie mit den vielseitigen Spielbelastungen zurechtkommen!
Setzt man sich näher mit den speziellen Beanspruchungen für FeldspielerInnen auseinander fällt auf, dass für die aerobe Fitness im Fußball nicht nur die Fähigkeit für intensive Belastungen, sondern auch die schnelle Erholung zwischen intermittierenden hoch intensiven Belastungen entscheidend ist. In einem Fußballspiel wird durchschnittlich zwischen 500-1300m mit einer Geschwindigkeit von mehr als 19,8km/h gelaufen. Ab diesem Tempo spricht man von einem Sprint. Diese Belastung wirkt sich neben den gängigen 10-12km/h pro SpielerIn auf die Leistung aus.
Typische schnellkräftige Bewegungs- und Beanspruchungsvariationen im Fußball sind:
Auf der Position des Torwarts steht im Gegensatz dazu die allgemeine aerobe Konditionierung im Vordergrund. Aufgrund der spezifischen Belastungscharakteristik ist diese Form des Ausdauertrainings praxisrelevanter. Umsetzbar ist dies beispielsweise durch Einheiten am Rad- oder Ruderergometer sowie durch das typische Torwarttraining!
Grundsätzlich ist die Entscheidung darüber, welches HIIT Format beim Training verwendet wird abhängig von:
Hier sind in Bezug auf den Fußball unter anderem Parameter wie das unterschiedliche biologische Alter, die individuellen Erfahrungen mit vergleichbaren Belastungsmethoden, die persönliche physischen Leistungsfähigkeit, die Spielposition sowie variable (physiologische) Reaktionen auf bestimmte Trainingsreize zu nennen.
Im Allgemeinen wird in der Trainingswissenschaft zwischen:
Im Hinblick auf die physiologische Wirksamkeit und den notwendigen physiologischen Effekt entsprechender Trainingsreize wird zusätzlich zwischen:
Unter Betrachtung der Tatsache, dass Systeme des menschlichen Organismus komplexen Abläufen unterliegen, ist es wichtig zu erwähnen, dass es in jedem HIIT Format Überlappungen in Bezug auf die physiologische Betonung gibt.
Aus der Sammlung der unterschiedlichen Einflüsse ergeben sich im Allgemeinen sechs unterschiedliche HIIT Formate. Für jedes HIIT Format gibt es praktische Anwendungsmethoden. Diese werden von Laursen und Buchheit 2019, als HIIT Waffen bezeichnet. Eine genauere Beschreibung über fußballspezifische HIIT Varianten sowie die Darstellung praxisbezogener Trainingsideen ist im zweiten und dritten Artikel dieser Beitragsreihe zu erwarten!
Die folgende Darstellung zeigt einen Überblick über oben beschriebene HIIT Formate:
Typ 1 beschreibt eine Trainingsform, bei der vorwiegend das aerobe System (kardiopulmonale Leistungsfähigkeit, Sauerstoffaufnahme) sowie oxidative Muskelfasern gereizt und optimiert werden. Als geeignete Methoden für die Praxis eignen sich HIIT in kurzen Intervallen. Typ 2 ist metabolisch mit Typ 1 vergleichbar. Der neuromuskuläre Anteil ist jedoch höher. Adäquate Trainingsreize sind HIIT in kurzen Intervallen sowie sportartspezifisches und spielbezogenes Intervalltraining (SSGs). Im konkreten Beispiel Fußball sind hier Kleinfeldspiele in verschiedenen Varianten zu nennen.
Typ 3 beschreibt eine Trainingsform, bei der vorwiegend das anaerob glykolytische System gereizt und optimiert wird. Im Gegensatz zu Typ 4 bleibt der neuromuskuläre Anteil gering. Um diesen Effekt in der Praxis zu erzielen, eignen sich HIIT in kurzen sowie langen Intervallen sowie SSGs. Typ 4 wird wie beschrieben durch einen höheren neuromuskulären Anteil charakterisiert. Als Trainingsformen sind hier HIIT in kurzen und langen Intervallen, SSGs und wiederholte Sprints (RST) anzuführen.
Typ 5 beschreibt eine Trainingsform bei der vorwiegend das anaerob glykolytische System gereizt und optimiert wird. Hinzu kommt ein hoher Anteil an neuromuskulärem Stress. In der Praxis bewähren sich hier RST und Sprintintervalltraining (SIT). Typ 6 ist nicht als typisches Intervalltraining zu bezeichnen. Es zeichnet sich durch eine hohe Beanspruchung des neuromuskulären Systems aus. Dies wird hautsächlich durch spezifisches Kraft- und Schnelligkeitstraining erreicht.
Innerhalb einer Saison im Fußball teilt sich die Verwendung von HIIT im Training wie folgt auf:
Es empfiehlt sich HIIT in langen Intervallen ausschließlich in den Vorbereitungsperioden einzusetzen. Alle anderen Formate werden sowohl vor als auch während der Wettkampfperiode verwendet. Innerhalb der Saison werden entsprechende HIIT Formate vor allem dazu genutzt, das individuell hohe Leistungsniveau zu halten oder teilweise fehlende Belastungsspitzen zu kompensieren (z.B.: ErsatzspielerInnen). Aufgrund der typischen Belastungsverteilung werden im zweiten Artikel dieser Beitragsreihe vorzugsweise kurze HIIT, lange HIIT und SSGs genauer beschrieben.
Hat man sich als TrainerIn (idealerweise natürlich innerhalb eines Teams aus Trainern) für ein geeignetes Format zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden gilt es zu wissen, dass jeder Intervallreiz mit 12 Variationen modifiziert werden kann, die allesamt die physiologische Wirkung verändern. Mögliche Adaptionen sind:
Ein einfaches Beispiel aus der Praxis ist die Erhöhung der neuromuskulären Beanspruchung innerhalb eines Intervalls durch die Änderung der Bewegungsart. Etwa konnte festgestellt werden, dass lineare Sprints die neuronale und muskuläre Reizung in der Oberschenkelrückseite erhöhen. Im Gegensatz dazu wird dies durch multidirektionale Beschleunigungsaktionen (beschleunigen und abbremsen) in der Oberschenkelvorderseite und der Gesäßmuskulatur erreicht
Bricht man Entscheidungen über den Einsatz eines bestimmten HIIT Formats auf die Ebene des Mikrozyklus und im Speziellen auf das tägliche Training herunter, gibt es folgende physiologische Parameter zu beachten:
Abschließend bleibt zu sagen, dass der Themenbereich HIIT im Fußball ein sehr weitreichender ist. Trotz der hohen Komplexität ist es für TrainerInnen umso entscheidender einen Überblick zu behalten, der:
1.) ein profundes allgemeines Wissen über elementare Parameter des Trainings zulässt
2.) für die eigene Sportart praktikable Anwendungsmöglichkeiten ergibt und
3.) kritisches Hinterfragen und ständige Adaptionen von Trainingsinhalten erlaubt
Im nächsten Artikel dieser Beitragsreihe erwartet euch:
(HIIT lang, HIIT kurz, spielbezogenes HIIT (SSGs)) und
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Über den Autor Florian Maierhofer, MSc
Akademieleiter der Fußballakademie der KSV 1919 (Steiermark), Athletiktrainer KSV 1919 Akademie und Profis
Gründer und Inhaber von moving.forward.together
Literatur
Laursen P. und Buchheit M. (2019): Science and Application of HIGH INTENSITY INTERVAL TRAINING. Solutions to the Programming Puzzle. Human Kinetics.