Verletzungsprävention im Fußball – Effektive Möglichkeiten deine Spieler fit zu halten

von Jürgen Pranger


Gepostet am 8.1.2021


Während Ärzte und Physiotherapeuten sehr an dem Konzept der Verletzungsprävention interessiert sind, hat es für einzelne Spieler und Trainer meist nicht immer Priorität. Für Trainer seht häufig die Leistungssteigerung der Mannschaft im Vordergrund. Verletzungen werden dabei oftmals in Kauf genommen. Dieser Umstand sollte sich jedoch schnellstmöglich ändern. Denn eine adäquate Verletzungsprävention bedeutet nicht nur weniger Ausfälle von Schlüsselspielern während der Saison, sondern außerdem eine Performancesteigerung der gesamten Mannschaft! (Fulcher, 2019) Darüber hinaus bedeuten weniger Verletzungen eine enorme Kostenersparnis für den Verein.



„Teams mit weniger Verletzungen schneiden sowohl in ihrer heimischen Liga als auch international besser ab.“ -UEFA



In den letzten Jahren wurden im Bereich der Prävention von Fußballverletzungen erhebliche Fortschritte erzielt. Durch zahlreiche wissenschaftliche Studien werden die Ursachen für auftretende Verletzungen immer besser verstanden. Durch einfache Präventionsprogramme und durch eine bessere Belastungssteuerung kann dadurch das Verletzungsrisiko um 30% und das Risiko schwerer Verletzungen, wie einer ACL-Verletzung (Kreuzbandverletzung) sogar um 50% reduziert werden. (Bizini, 2019)

Es wird zwischen Primär- und Sekundärprävention unterschieden:

  • Primärprävention: Verhinderung des Auftretens von Verletzungen bei Personen ohne Verletzungshistorie.
  • Sekundärprävention: Versucht eine erneute Verletzung zu verhindern.


Um effektive Präventionsmethoden zu entwickeln, ist es vorab wichtig zu verstehen, warum es überhaupt zu Verletzungen kommt.

Im Beitrag „Verletzungen im Fußball – Warum treten Verletzungen auf und wie kannst du sie verhindern?“ sind wir bereits auf die Ursachen einer Verletzung eingegangen und haben eine der Hauptursachen genauer beleuchtet – ein falsches Belastungsmanagement.

Wenn du diesen Beitrag noch nicht gelesen hast, - hier kommst du zum Beitrag „Verletzungen im Fußball – Warum treten Verletzungen auf und wie kannst du sie verhindern?“

Darüber hinaus gibt es Studien, die zeigen, dass es möglich ist, das Verletzungsrisiko durch eine Kombination aus Dehnübungen, exzentrischem Krafttraining, Training der Beinstabilität und Training der Rumpfstabilität stark zu reduzieren. (Fulcher, 2019; Dvorak et al., 2009; Klein, 2014)

Verschiedene Strategien, um das Verletzungsrisiko zu senken



Dehnen:

Während die meisten Trainer und Sportler im Allgemeinen glauben, dass Stretching effektiv ist, ist nicht klar, ob es wirklich stark zur Verletzungsminimierung beiträgt. Es gibt keine guten Interventionsstudien, die sich mit dieser Frage befasst haben. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass eine gute Beweglichkeit (gute Range-of-Motion) zwar wichtig ist, aber dass andere Präventionsmethoden effektiver sind. (Fulcher, 2019)

Exzentrisches Krafttraining:

Mehrere Studien zeigen, dass exzentrisches Training (z.B.: Nordic Hamstrings) die Häufigkeit von Verletzungen der Oberschenkelrückseite von Fußballspielern verringert. Eine Studie aus Dänemark zeigte, dass die Verletzungsrate bei regelmäßigen exzentrischen Übungen um 71% niedriger war. Noch deutlicher war der Effekt bei Spielern mit einer Vorverletzung (-86%). (Fulcher, 2019)

Da eine Verletzung der Oberschenkelrückseite der Grund für die meisten Ausfalltage im Fußball ist, ist eine Implementierung exzentrischer Übungen sicherlich sinnvoll. Auch andere exzentrische Protokolle (Oberschenkel-Vorderseite, Wade etc.) scheinen eine positive Auswirkung auf das Verletzungsrisiko zu haben.


Du willst mehr darüber erfahren? In diesem Beitrag von Trainingsworld wird exzentrisches Krafttraining bzw. die Übung „Nordic Hamstrings“ genauer erklärt. https://www.trainingsworld.com/sportmedizin/verletzungsprophylaxe/uebungen-fuer-starke-und-gesunde-hamstrings



Rumpfstabilität:

Die Stabilität der Lendenwirbelsäule und des Beckens ist für einen Fußballspieler entscheidend und ist bei verschiedenen Sportbewegungen von wesentlicher Bedeutung. Viele Oberschenkelverletzungen treten beim Schießen oder Beschleunigen auf, weil der Rumpf nicht ausreichend stabilisiert werden kann. (Fulcher, 2019)

Außerdem erhöht eine gute Rumpfmuskulatur die athletische Performance der Spieler (fester Schuss, schneller laufen, robusterer im Zweikampf etc.)

Das Einbeziehen von Core-Übungen in die Trainingseinheit ist deswegen zu empfehlen.



Gleichgewicht bzw. propriozeptive Übungen:

Gleichgewichts- und propriozeptive Übungen sind ebenfalls eine mögliche Strategie zur Vorbeugung von Verletzungen. Besonders Knie- und Sprunggelenksverletzungen sind oftmals auf eine fehlende neuromuskuläre Kontrolle zurückzuführen. Nach einem propriozeptiven Training auf einem Balance Board wurde eine signifikante Verringerung der ACL-Verletzungen (Kreuzbandverletzungen) bei männlichen Profi- und Amateurspielern festgestellt. Gleichgewichtsübungen sind Teil umfassender neuromuskulärer Aufwärmprogramme wie FIFA 11+, die sich eindeutig als wirksam bei der Reduzierung von Verletzungen erwiesen haben. (Fulcher, 2019)




Hier kannst du mehr über propriozeptives Training erfahren:

https://www.dfb.de/spieler/u-16-bis-u-19-spielerin/artikel/propriozeptives-training-418/




Tapen:

Es hat sich zwar nicht gezeigt, dass Tapen eine gute Strategie für die Vermeidung von Primärverletzungen ist, Tapen kann jedoch bei Vorverletzungen des Sprunggelenks eine wirksame Strategie sein. Erneute Verletzungen können dadurch um etwa 50% verringert werden. (Fulcher, 2019)

Sprunggelenk richtig Tapen: https://www.youtube.com/watch?v=DpS7IldakII



Belastungsmanagement:

Der Einfluss von Belastung wurde als Risikofaktor für Verletzungen identifiziert. Dies gilt insbesondere für junge Spieler. Zu viel Belastung und plötzliche Änderungen der Belastung sind mit einem erhöhten Verletzungsrisiko verbunden. Zu den Zeiten, in denen die Belastungen normalerweise zunehmen - Presaison, bei der Rückkehr von Verletzungen oder wenn Spieler in die 1. Mannschaft aufsteigen - ist es besonders wichtig, ein sorgfältig durchdachtes Belastungsmanagement zu haben. (Fulcher, 2019)



Fitness und Kondition:

Muskelverletzungen treten am häufigsten gegen Ende jeder Hälfte auf. Angesichts der anspruchsvollen Natur des Fußballs wird vermutet, dass dies auf die Ermüdung der Muskultur zurückzuführen ist. Infolgedessen kann eine zu geringe Fitness ein Verletzungsrisikofaktor für Spieler sein. Eine Verbesserung der Fitness verringert demnach das Verletzungsrisiko. (Fulcher, 2019)


Quelle: Gabbett (2018); eigene Darstellung


Einer der Hauptgründe für Verletzungen ist definitiv ein plötzlicher Anstieg der Belastung (Belastungsspitze). Einige Spieler scheinen jedoch Belastungsspitzen besser zu tolerieren als andere Spieler. Warum ist das so?

Der Grund dafür - so scheint es - ist der unterschiedliche Fitnesszustand der Spieler. Spieler mit einer besseren "Fitness" (stärkere Beinmuskulatur, bessere Ausdauerleistungsfähigkeit) sind gegenüber Belastungsspitzen weniger anfällig (siehe Bilder).

Quelle: Gabbett (2018); eigene Darstellung


Wichtig ist jedoch noch zu erwähnen, dass dies nicht unbedingt bedeutet, dass es zwingend notwendig ist, ein zusätzlich isoliertes Kraft- bzw. Ausdauertraining zu integrieren. Dies könnte möglicherweise sogar einen gegenteiligen Effekt haben (=>Belastungsspitze).

Die Fitness hat zwar einen Einfluss auf die Verletzungsgefahr, trainiert werden kann diese jedoch trotzdem - zumindest zu einem großen Teil - fußballspezifisch. Der jeweilige Trainingszustand der Spieler sollte allerdings unbedingt in die Belastungsteuerung mit einbezogen werden.


Praktische Umsetzung

Es reicht nicht aus, ein Präventionsprogramm nur in der Vorbereitung (Presaison) oder während der Saison sporadisch durchzuführen. Um Verletzungen nachhaltig zu reduzieren, muss ein Präventionsprogramm in der wöchentlichen Trainingsplanung berücksichtigt werden und somit ständig vorkommen. Optimale Ergebnisse werden mit einem 2x wöchentlichen Präventionsprogramm erzielt. (Silvers-Granelli, 2015)

Die Durchführung effektiver Präventionsprogramme dauern meist nur wenige Minuten und können gut in das Aufwärmprogramm integriert werden. Wichtig dabei ist nur, dass nicht irgendwelche Übungen aneinandergereiht werden, sondern, dass ein entsprechender Plan hinter dem Programm steckt, der nachweislich Erfolge bringt.

Ein Anhaltspunkt kann zum Beispiel das durch die FIFA erstellte Präventionsprogramm FIFA 11+ sein. Dieses Programm besteht aus 15 Übungen und reduziert das Verletzungsrisiko laut Studien um 30%. (Silvers-Granelli, 2015)




Das FIFA 11+ Programm: https://www.dfb.de/trainer/b-juniorin/artikel/fifa-11-310/




Außerdem ist eine Implementierung eines Belastungsmanagements essenziell. Eine effektive Trainingssteuerung ist nicht nur entscheidend für die Reduzierung von Verletzungen, sondern auch für eine optimale athletische Entwicklung der Spieler.

Die Umsetzung ist durch eine preiswerte Software einfach und bringt schnell Erfolge.



Individuelle Programme

Um noch effizienter zu arbeiten und alles aus den Spielern herauszuholen, sind individuelle Programme zu bevorzugen. Durch eine Ist-Zustandsanalyse können die Stärken und die Schwächen des jeweiligen Spielers genau erhoben werden. (Beinstabilität, Gleichgewicht, Rumpfkraft, Beweglichkeit etc.).

Anschließend kann ein individueller Plan für jeden Spieler entwickelt werden, der genau auf die Bedürfnisse des Spielers eingeht. Dadurch ist eine optimale Entwicklung des Athleten gewährleistet.

Die Spieler können die Übungen dann selbstständig zu Hause, oder vor dem Training als Pretraining absolvieren.



Kosteneffektivität durch Verletzungsprävention

Die Reduzierung von Verletzungen hat auch positive finanzielle Auswirkungen für den Verein. Eine Versicherungsgesellschaft aus Neuseeland hat errechnet, dass jeder Dollar, der für die Prävention von Verletzungen vom Verein ausgegeben wird, eine Einsparung von 8,2 Dollar mit sich bringt (weniger Zahlungen für verletzte Spieler etc.).

Auch das Gesundheitssystem eines Landes profitiert von diesen Maßnahmen. In Neuseeland werden zum Beispiel jährlich ca. 3.000 Kreuzbandoperationen finanziert, die geschätzte Kosten von ca. 50 Millionen Dollar verursachen. Die indirekten Kosten (Produktivitätsverlust und Behandlung der posttraumatischen Arthrose) können jährlich weitere 100 Millionen Dollar betragen! Angesichts der Tatsache, dass Präventionsprogramme nachweislich das Risiko von ACL-Verletzungen (Kreuzbandverletzungen) um 50% reduzieren, ist der finanzielle Nutzen leicht zu erkennen (= 75 Millionen Dollar pro Jahr!). (Fulcher, 2019)



Fazit

Es können nicht alle Verletzungen verhindert werden – das ist klar. Aber es kann das Verletzungsrisiko durch einfache und kostengünstige Maßnahmen deutlich gesenkt werden. Der Nutzen daraus ist vielfältig. Weniger Ausfälle von Schüsselspielern, eine bessere Performance der Mannschaft und finanzielle Einsparungen des Vereins (weit über das Investment hinaus).


„Man muss dumm sein, nicht den Mehrwert eines Verletzungspräventionsprogramms zu erkennen!“ – Prof. Roald Bohr





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Lies auch: "Verletzungen im Fußball – Warum treten Verletzungen auf und wie kannst du sie vermeiden?"







Literatur

Bizini, M. (2019). Injury Prevention. FIFA Medical Diploma. https://www.fifamedicalnetwork.com/courses/injury-prevention/ (Zugriff am 1.10.2020)

Dvorak, J., Junge, A. & Grimm, K. (2009). F-Marc - Football Medicine Manual. 2nd Edition. Altstätten: RVA Druck und Medien.

Fulcher, M. (2019). Injury Prevention. FIFA Medical Diploma. https://www.fifamedicalnetwork.com/courses/injury-prevention/ (Zugriff am 1.10.2020)

Gabbet, T. J. (2018). Debunking the myths about training load, injury and performance: empirical evidence, hot topics and recommendations for practitioners. British Journal of Medicine. http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2018-099784

Klein, Ch. (2014). Präventionstraining: Warm-up-Routine für doppelten Erfolg im Fußball. Medical Sports Network, 9, pp. 14-17.

Silvers-Granelli, H et al. (2015). Wirksamkeit des Programms zur Verhütung von Verletzungen nach FIFA 11+ bei männlichen Collage-Spielern. Am J Sports Med. 43 (11): 2628-37